Montag, 16. Mai 2011

Es ist also soweit.

Der Abschied von meinem AD-unterstützten Leben hat begonnen. Und damit der erste Teil meines neuen Lebens ohne die tägliche Dosis gute Laune.
Nicht mehr lange und mein vierter Tag ohne ist geschafft.
Die Angst vor diesem Schritt war und ist allerdings nicht ohne, denn was ist, wenn ich wieder in die gleiche Depression stürze? Was ist, wenn ich es ohne die Medikamente nicht aushalte? Ist das dann ein Zeichen von Schwäche? Ein Zeichen dafür, dass ich nur mit Medikamenten ein stimmungsmäßig normales Leben haben kann? – Aber genau das möchte ich nicht. Ich will nicht von einem kleinen Stück Pharmazie abhängig sein, will nicht immer daran denken müssen, jeden Tag mein Leben – so wie ich es gerne erleben würde – in Form einer Tablette einzunehmen.
Wie gesagt, heute ist Tag vier. Und die Absetzerscheinungen sind da. Sie sind nicht zu ignorieren. Mein Antrieb grenzt von unten an Null, mein Kopf dröhnt und sobald ich meine Augen schnell und nicht vollkommen bewusst bewege, breiten sich stromschlagartige Empfindungen in meinem Kopf, den Armen und dem Brustkorb aus und sorgen für eine schräge Art von Schwindelgefühl. Diese Kombination führt dazu, dass ich ständig eine gewisse Angst empfinde, mich zu bewegen.
Und dazu kommt die Angst, wieder zusammenzubrechen, abzustürzen, Panikattacken zu bekommen und letztlich wieder in der Klinik zu landen, vom wirklichen Leben, von der Normalität abgekapselt zu werden und jeden Tag zu merken, dass ich nicht normal bin, dass mit mir etwas nicht stimmt.
Warum kann das nicht einfach aufhören, warum muss ich das haben, warum muss das überhaupt jemand haben? Was hab ich falsch gemacht, damit es mir so gehen muss?
Es ist jeden Tag ein Kampf mit der Angst, mit mir selbst. Es ist die Angst, etwas falsch zu machen, andere zu enttäuschen. Vor allem das Gefühl, vollkommen unnütz zu sein und anderen nur auf den Wecker zu fallen, auf der Tasche zu liegen. – Nein, es ist nicht einfach nur die Angst, dass es so sein könnte, sondern es ist das ständige Bewusstsein, dass es genau so ist!
Und die ständige Traurigkeit, die immer in allem mitschwingt. Immer wieder fange ich an zu weinen, ohne den tatsächlichen Grund dafür zu kennen. Ich bin traurig, heule vor mich hin und verkrieche mich in meine Gedankenwelt, in der ich aber keinen Trost finde, sondern nur die mir seit langer Zeit bekannten und vertrauten Gedanken, die ich oben schon beschrieben habe.
Mir fehlt einfach jemand, der mir sagt, dass das alles irgendwann aufhört, dass das vorbeigeht und ich auch ein ganz normales Leben führen kann, in dem ich zufrieden und ohne ständige Angst den Dingen nachgehen kann, die für mich in Ordnung sind und die mich zu einem ganz normalen Menschen machen. Ich will keine Angst mehr haben, die mich so sehr einengt, dass ich nichts mehr tun kann.
Ich will einfach, dass es aufhört!
Ich will mit meinem Freund eine Familie gründen, einen Beruf haben, den ich gerne mache, will für meine Kinder da sein, für meinen Freund und meine Eltern und Geschwister. Ich will einfach nur ein ganz normaler Mensch sein.
Die ewige Heulerei, das Angsthaben vor undefinierbaren Gefahren, die kranken Ideen, was mir helfen könnte, sollen verschwinden.
Wann hört der ganze Dreck endlich auf?
In diversen Foren stand, dass diese Absetzungserscheinungen bis zu vier Wochen andauern können. – Und ich hab erst vier Tage hinter mir, die im Grunde so mies waren, wie die Zeit vor der Behandlung.
Wie soll ich da studieren? Wie soll ich Arbeiten schreiben und lernen, Bücher und Aufsätze lesen usw.?
Ist dieses Studium überhaupt das, was ich will? Will ich Lehrerin werden? – Aber was soll ich sonst machen? Was ist ein Beruf, der Sinn macht? Der für mich Sinn macht?
Wenn ich die Tablette wieder nehme, habe ich versagt.
Wenn ich sie nicht nehme, geht es mir auf (bis jetzt) unbestimmte Zeit beschissen und ich bin zu noch weniger zu gebrauchen, als sowieso schon.
Sich endgültig zu verabschieden bringt auch nichts, weil ich einerseits nicht weiß, wie ich das möglichst so machen soll, dass ich nichts davon mitbekomme und weil ich andererseits eine so schöne Vorstellung davon habe, wie es sein kann, ein ganz normales Leben zu führen. Es ist also definitiv keine Lösung.
Kann man mir nicht einfach sagen, dass es vorbeigeht? Dass all der Mist vorbeigeht und ich mich mit der Zeit besser fühlen werde? Dass ich wieder so sein werde, wie damals, als ich noch zur Schule gegangen bin, Theater gespielt habe und im Grunde eigentlich sorgenfrei war, zumindest für ein paar Jahre?
Ich will wieder lustig sein, andere zum Lachen bringen, selber lachen und an mich selbst glauben können. Ein Selbstvertrauen, das mich trägt und ein Selbstbewusstsein, das mir sagt, dass ich gut bin, dass ich ok bin, so wie ich bin und dass ich schön bin (wenn auch auf meine Art) und dass ich liebenswert bin – das fehlt mir so. Und das macht mich so unglaublich fertig. Dass ich nicht an mich glauben kann. Dass ich mich und mein Hirn immer wieder austrickse und mir um zwölf Ecken doch wieder nur einrede, dass ich unnütz, unfähig, dumm, nervig, hässlich und fett bin.
Ich will einfach nur so unbeschwert sein, wie ich es vor zehn oder noch mehr Jahren war.
Es soll einfach nur wieder so sein, wie damals.
Mehr will ich doch gar nicht.
Bitte.

Donnerstag, 30. September 2010

Der Untote, der Graf und der Baron

Da ich mich mittlerweile schon fast zum Inventar der Bibliothek zählen kann und täglich damit rechne, in einer weihevollen Zeremonie eine Nummer verliehen zu bekommen und in den Opac aufgenommen zu werden, dachte ich, es sei mal an der Zeit, einige meiner Mitinsassen vorzustellen.
Denn der häufige Besuch und damit verbunden stundenlange Aufenthalt in diesen Räumen führt unweigerlich dazu, andere Stammgäste zu bemerken und sich Gedanken darüber zu machen, welche Gründe sie wohl dazu treiben, sie hier aufzuhalten.
Bei meinen Beschreibungen gehe ich so vor, wie man im Gebäude der Bibliothek der Reihe nach auf entsprechende Personen trifft.

Der erste Dauerbesucher sitzt täglich – zumindest an Werktagen – um zwei Minuten nach acht Uhr morgens an seinem Polatz. Diese befindet sich im ersten Stock im Informations- und Servicebereich. Man läuft auf dem Weg zum Eingang der Lesesäle zwischen Informationstheke und den noch geschlossenen Ausleiheschaltern hindurch an diversen Tischen vorbei, auf denen sich Computer befinden, die die Literatursuche im Opac ermöglichen oder im Zweifelsfall eine gute Möglichkeit bieten, seine Zeit in der Bib, die man sich voller Tatendrang in einem Anfall von Strebertum zum Lernen vorgenommen hat, anderweitig – und meist unterhaltsamer – zu gestalten.
Der Arbeitsplatz unseres ersten Besuchers also befindet sich fast am Ende des beschriebenen Bereiches an einem Tisch ohne Computer.
Hier hängt er seine Jacke über die Rückenlehne des Drehstuhls, auf dem er die meiste Zeit sitzt, breitet seinen Block, seine drei Stifte und die etwa fünf Bücher aus und beginnt zu schreiben. Oft liest er in alten Zeitungen oder benutzt sogar das Internet für seine Forschungsarbeit.
Gegen Mittag greift er zu seiner Wasserflasche und der Brotbüchse, die er vermutlich vor vielen Jahrzehnten einem Kindergartenkind aus den kleinen, wurstigen Fingern gewissen hat, und begibt sich in die zweite Etage. Dort stellt er sich an einen Stehtisch der Cafeteria und verzehrt seine zwei belegten Brote.
Den Rest des Tages verbringt er wieder an seinem angestammten Platz.
Wichtig zu wissen ist das äußere Erscheinungsbild. Der beschriebene Mann trägt Hosen, die ihm viel zu weit sind und die trotz des Gürtels, der ebenfalls zu lang ist, beim Aufstehen oder Laufen rutschen, da sie an dem knochigen Körper keinen Halt finden. Ebenfalls zu groß sind die monatlich wechselnden Strickpullover, mit deren Ärmeln er sich einen erbitterten Kampf liefert, wenn er sie immer wieder über die Ellenbogen zurückstreift.
Im Ganzen ist der Mann normal groß, aber sehr dünn und von biblischem Alter. Sein Gesicht versteckt sich hinter tiefen Falten und diversen Bartansätzen, die vielerlei graue Schattierungen aufweisen.
Was er dort forschend erarbeitet, lässt sich nur vermuten. Der von mir und meinem Begleiter liebevoll „Der Untote“ genannte stellt sich wahrscheinlich irgendwann als ehemals gefeierter, aber während der Herrschaft Stalins des Landes verwiesener russischer Atomphysiker heraus, der in jahrzehntelanger Arbeit letztlich die Weltformel und das Gewicht des Universums errechnet hat. Oder einen Plan zur Ergreifung der Weltherrschaft bis ins kleinste Detail ausformuliert und niedergeschrieben hat.
Soweit also der Untote, der eventuell auch gebürtig aus Transsilvanien stammen könnte.

Betritt man den Lesesaalbereich, ist es nahezu unvermeidlich, auf Graf Wunderlich zu treffen.
Der etwa 1,60 m große und sehr dünne Mann trägt grundsätzlich graue Anzüge – zumindest hoffe ich, dass es nicht immer derselbe ist. Darunter an kalten Tagen schon mal einen – passend zu Anzug – viel zu großen Wollpullover, sonst Hemd und Krawatte.
Beim Gehen hat er die Rechte in der Hosentasche, während die Linke auf Höhe der Brust in Denkerhaltung arretiert zu sein scheint.
Auf Höflichkeit legt der Graf besonderen Wert, weshalb er grundsätzlich ihm Folgenden die Tür aufhält und verwundert bis empört denjenigen nachsieht, die sich dafür nicht bedanken oder die ihm nicht in ähnlicher Weise begegnen.
Der Graf hat zwei Plätze, an denen er sich vornehmlich aufhält. Der eine befindet sich im oberen Bereich des ersten Lesesaals, gleich hinter dem Geländer der Treppenbrüstung an einem Tisch, auf dem ein Blatt, zwei Stifte, häufig ein Buch und in regelmäßigen, meist zweistündigen Abständen auch sein Kopf liegt.
Der Graf ist nämlich von der extremen gedanklichen Leistung, die er beim Philosophieren erbringt oft stark geschwächt, was dazu führt, dass er sich in einen meditativen Zustand begibt, um sich zu erholen. Kurz: er pennt.
Sollte diese Form der Erfrischung nicht genügen, begibt er sich unter Aufbringung letzter Kraft – so sieht sein Gang jedenfalls aus – in das im Erdgeschoss befindliche Café, um sich dort mit einem Käsebrötchen und einem gut gekühlten Mezzomix zu erholen. Dabei kann er davon ausgehen, dass die von ihm mit der Zeit darauf trainierte Servicekraft die Flasche für ihn öffnet, sowie die Tüte, in der sich das Brötchen befindet, mit einem gekonnten Schnitt für den Grafen so vorbereitet, dass er nur noch hineinzugreifen braucht, um an die ersehnte Stärkung zu gelangen.
An warmen Tagen lässt er sich zu besonderen sinnlich-weltlichen Genüssen hinreißen und erlaubt sich ein Nucki-Nuss, dessen Verpackung er in einem seiner vielen genialen Momente schon einmal zu einem philosophisch interpretierbaren Kunstwerk verarbeitet hat, das er dann in einer Klarsichthülle mit an seinen Arbeitsplatz nahm.
Graf Wunderlich ist also Philosoph, klein, dünn, höflich und nimmt seine Umwelt so genau wahr, dass er mich schon mit einem wissenden Nicken grüßt, wenn wir uns auf einem seiner Wege begegnen. Denn überraschend ist, dass man ihn selten dabei beobachten kann, wie er etwas aufschreibt.
Vermutlich ist er in der Lage, mit Hilfe seiner Gedanken den Stift dazu zu bewegen, die in jenem befindliche Farbe in Form von Buchstaben auf das eine Blatt zu bringen. Schließlich arbeitet er an einem Buch, was ich in einem glücklichen Moment im Café aus einem Gespräch zwischen ihm und seinem Lektor erfahren durfte. Man darf demnach gespannt sein.
Eine am Rande zu erwähnende Erklärung für sein Verhalten wäre vielleicht och, dass er lediglich einen Selbstversuch durchführt, in dem er beobachtet, wie sich der menschliche Körper und vor allem die geistige Leistungsfähigkeit verhält, wenn man sich lediglich von Käsebrötchen, Mezzomix und Nucki-Nuss ernährt.

Der dritte Charakter, den ich in meiner bisherigen Zeit als bemerkenswert erlebt habe, ist der Baron.
Er ist etwa 1,85m groß, hat ein recht verwildertes Gesicht und entsprechende weiße Haare, ist vermutlich um die 70 Jahre alt und hat die Angewohnheit, seine Hosenbeine in seine Socken zu stecken. Vermutlich ist dieses Verhalten ein Überbleibsel aus seiner Zeit als britischer Kommandeur in Afrika, als er diverse Truppen befehligte und die berühmten Wickelstrümpfe trug.
Zu seiner braunen Hose bevorzugt er sein graublaues Jackett, das er stets offen trägt, was seinen leicht nach vorne geschobenen Unterkiefer und Nacken gekonnt unterstreicht.
Da seine ehemaligen Gepäckstücke mit der Zeit den Geist aufgegeben haben, greift er nun zu Plastiktüten, deren Wetterfestigkeit er zu schätzen und deren Stabilität er zu lieben gelernt hat. Diese Tüten mit geheimnisvollem Inhalt trägt er immer dann bei sich, wenn er die Bibliothek verlässt, um beispielsweise in der Mensa zu speisen.
Im Gegensatz zu den anderen beiden Herren weiß ich von ihm, wo er wohnt.
Durch längere Überlegungen und Beobachtungen bin ich zu dem Schluss gelangt, dass ein Teil der im Erdgeschoss aufgebauten Schießfächer lediglich Attrappen sind. Die Fächer lassen sich nicht öffnen, weil sie keine einzelnen Fächer sind, sondern hinter ihnen ein einziger Raum ist, der dem Baron als Behausung dient.
Die beengten Verhältnisse sind für ihn kein Problem, er ist schließlich schon mit ganz anderen Umständen konfrontiert worden. Stichwort Afrika.
Die Beobachtung, dass er selten viel isst brachte mich dazu, die These aufzustellen, dass er sich angewöhnt hat, sich von gelesenen Büchern, besser, vom Lesen an sich zu ernähren.

Dass meine Beobachtungen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen keineswegs der Wahrheit entsprechen müssen, ist mit bewusst. Und dennoch glaube ich fest daran, dass ein kleiner Kern in jedem Fall der Realität entspricht.
Gäbe es Schlingensief noch, würde ich jedoch vermuten, dass die drei Herren und ihr Verhalten lediglich eine Inszenierung der Dürrenmatt’schen Physiker sind.

Freitag, 18. Juni 2010

Momentaufnahme

Es gibt Tage, an denen sollte man liegen bleiben und Tage, an denen man besser nicht aufgestanden wäre.
Ja, tatsächlich.
Augeblicklich scheinen sich diese beiden Varianten mehr oder weniger gut abzusprechen, denn sie wechseln sich recht regelmäßig und nahezu täglich ab.
Und bei beiden genügt eigentlich schon ein Blick aus dem Fenster, was sage ich, über den Rand des Bettes hinaus. Neben den üblichen Gegenständen fallen mir sofort die großen dicken Papierstapel auf dem Schreibtisch ins Auge. Sie liegen da und scheinen beinahe vorwürfig mit verschränkten Armen und mit dem rechten Fuß auf dem Boden tappend, in einem ruhigen und doch klaren und überdeutlichen Ton zu fordern: "Lerne! Bewege deinen nichtsnutzigen, faulen Studentenhintern aus dem Bett, setz dich auf den Hosenboden und pauke!".
Sie sagen das natürlich nicht. Es ist nur ein Haufen PApier der mit Buchstaben bedruckt und schweigend auf meinem Schreibtisch liegt. So fern bin ich der Realität dann doch noch nicht.
Allein der ANblick dieses Stoffes jedoch, den ich mir bis zum sechsten August einprägen muss, allein das Sehen der kopierten Seiten sorgt dafür, dass ich bereits nach zehn Sekunden, die ich einigermaßen wach an diesem Tag geknabbert habe, ein schlechtes Gewissen habe. Schließlich lag ich etwa neun Stunden einfach nur im Bett, ohne etwas zu tun. Das kann ja nichts werden. Wie soll man denn da zu einer guten Lehrkraft werden, wenn man nächtelang schläft?
Ich liege also da und fühle mich, als wäre ich ganz allein an jedem einzelnen verdammten Tropfen Öl schuld, der zur gleichen Zeit ins Meer blubbert. - Immer hin, das mit dem aktuellen Bezug klappt wenigstens schon mal.
Trotz des gesamten Gewichts eines achttausender Bergmassivs auf mir, wuchte ich mich aus dem Bett. Nein, es ist wohl eher eine Art zähes Fließen, was meine Weise der Forbewegung am besten beschreiben würde. Als wäre ich der Ihalt eines Glases Honig, das umgekippt wurde, woraufhin sich die klebrige Bienekotze (denn nichts anderes ist der süß Brotaufstrich nun mal) langsam seinen Weg bahnt.
Sehr viel mehr Schwung wird mein Körper den Rest des Tages nicht mehr erreichen, mal abgesehen von der Radfahrt zur Uni und zurück. Ansonsten läuft alles eher im Chamäleon-Tempo ab. Dass ich gelegentlich von älteren Damen mit Gehwägelchen überholt werde, frustet mich mittlerweile schon gar nicht mehr.
Sollte ich an diesem Tag doch noch zu einem Geheft aus dem gefürchteten Lernstapel greifen, dann vollgestopft bis zum Rand mit Angst, Unterwürfigkeit und im vollen Bewusstsein, dass ich mir sowieso nichts von dem merken kann, was mich nun erwartet.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, vielleicht auch Komik, dass es im Text ausgerechnet darum geht, wie man möglichst effizient lernt. Wie nicht anders zu erwarten finde ich mich vor allem in den Negativbeispielen wieder. Fehlende Fähigkeit zur Aufmerksamkeitssteuerung, andauernde 'worry'-Gedanken und eine Überdosis an Amotivation füllen mich bis zum letzten Kubikmillimeter aus.
Letztlich versinke ich erneut im Gedankengestrüpp der Frage, was aus mir eigentlich werden wird.
Mein Kopfkino schließt die Saaltür, dimmt dass Deckenlicht und der Vorhang gibt den Blick auf die Leinwand frei, auf der ich die Rollen sehe, die ich im Begriff bin, für mein sogenanntes Leben anzunehmen:
Arbeitslose Fettleibige, die vor dem Computer sitzt und Solitär spielt, während sie mit der freien Hand Chips zwischen ihre gelben Zähne stopft, nur um dann mit Billigcola nachzuspülen, Single versteht sich; ganz in Schwarz gekleidete Psychiatriedauerpatientin, die immer neue Wege findet, einen Selbstmord durchzuführen, der jedoch nie gelingt, weil sie letztlich zu feige ist und jedes Mal mit letzter Kraft den Schwesternknopf drückt, um kurz vor dem Exitus gefunden und 'gerettet' zu werden.
Das letzte Bild, das zu sehen ist, während der Vorhang schon langsam das Blickfeld von rechts und links zu verengen beginnt, ist jenes, welches mich in den nächsten Stunden nicht loslässt. Eine tote Frau.
Ich.
Und es ist nicht so sehr das Bild an sich, das mich stark beschäftigt, sondern es sind die Gefühle, die es in mir auslöst.
Erleichterung und eine gewisse Entspanntheit, eine wohlige Zufriedenheit, die mich meine eigene Stimme hören lässt und die sagt "Es ist okay.". Die Gewissheit damit der Menschheit oder zumindest denen, die tatsächlich oder potenziell mit mir zu tun haben, eine große Last zu nehmen. Einerseits.
Andererseits zwei Ängste.
Die Angst, dass ich mich immer Hassen werde, dass ich nie ein Leben ohne diese scheiß Depression haben werde.
Und die Angst, dass sie irgendwann gewinnt.

Sonntag, 7. Februar 2010

Ich bin ein Fahrrad.

Ich stehe am Fahrradständer und öffne das Schloss an meinem Rad. Dabei fällt mein Blick auf das Nachbarrad. "all terrain" steht auf dem Rahmen. Wahrscheinlich kann man mit dem Ding, das da so trostlos im Nieselregen steht wirklich überall fahren. Bergtouren, Schotterpisten, Schlammwiesen oder Wüstensand sind dem Teil vielleicht tatsächlich völlig egal, wenn nur der richtige Fahrer drauf sitzt.
Da kann es einem doch fast ein wenig leid tun, dass es sein Leben als stink normales Straßenfahrrad fristet und nie das Knirschen von Alpengeröll unter seinem Profil spürt, sondern nur das Knistern von Rollsplitt im Winter. Es ist für Größeres geschaffen, für Reisen durch die Sahara, über die Anden oder gar nach Nepal. Stattdessen steht es hier in Erlangen und wartet darauf, die Kaufland-Einkäufe nachhause fahren zu dürfen.

Dann seh ich mein Rad an, ein typisches "City-Bike": tiefer Einstieg, bequemer Sattel, beinahe zu einem Halbrund gebogener Lenker - das Weichei unter den Fahrrädern. Abenteuer sieht anders aus. Es ist banal. Völlig banal. Keiner würde darauf kommen, damit eine Radtour fernab befestigter Straßen zu machen.
Und doch fahre ich immer wieder mal durch den Wald, über Kieswege, fahre Randsteine hoch und runter, springe mit dem Vorderrad, lege Vollbremsungen hin und erhebe mich vom Sattel, nur um das Gefühl zu haben, sportlicher zu sein.
Mein Fahrrad ist nicht dafür gemacht.

Als ich diese beiden Drahtesel so nebeneinander stehen sah, kam mir nur ein Gedanke:
Entweder bin ich - mit all meinen Gaben, Talenten und sonstigen Eigenschaften - ein City-Bike, das nicht einsehen will, dass es kein Mountainbike ist, aber trotzdem ständig so tut.
Oder ich bin ein Mountainbike, das langsam verkümmert und an einigen Stellen schon Rost ansetzt, weil es nicht seiner eigentlichen Bestimmung (falls es sowas gibt) gemäß genutzt wird.

Die Fahrt in unsere Ein Zimmer - Küche - Bad - Abstellkammer - Wohnung nutzte ich, um über mich als Fahrrad nachzudenken.
Und irgendwie verblasste das Mountainbike immer mehr, je näher ich der Haustür kam.

Montag, 21. Dezember 2009

Wer sein Leben liebt, der schiebt.

Oder er bleibt gleich daheim. Das gilt im Moment für alle, die in der selbst ernannten Fahrradstadt Erlangen unterwegs sind. Denn von den Hauptverkehrsstraßen einmal abgesehen, sind weder Straßen noch Gehwege wirklich geräumt oder wenigstens so präpariert, dass man gefahrlos darauf fahren oder gehen kann. Gleiches gilt natürlich für die Radwege.
Einigermaßen erholt von der gestrigen zweistündigen Wanderung durch den Sebalder Reichswald und zumindest kleidungstechnisch voll ausgerüstet machte ich mich um Viertel vor Zehn auf den Weg zur Uni. Mit dem Rad.
Dass ich nun hier am Schreibtisch sitzen und die Geschichte erzählen kann beweist, dass ich den Tag überstanden habe, ohne mir größeren Schaden zugezogen zu haben. Allerdings verdanke ich das nur dem, was man allgemein gesunden Menschenverstand nennt. Denn irgendwann sah auch ich ein, dass es nicht nur für die anderen Verkehrsteilnehmer eine nicht einzuschätzende Gefahr wäre, führe ich weiter auf meinem Drahtesel über schneebedeckte Eisplatten, Matschhaufen, unkenntlich zugeschneite Bordsteinkanten und kaum merkliche Bodenwellen, die derzeit allesamt ein übermäßiges Potenzial in sich tragen, Auslöser großer Auftritte zu sein.
Ich erreichte die Uni unverletzt. Meine folgenden Wege legte ich jedoch überwiegend zu Fuß zurück.
Es ist jedoch mehr als erstaunlich, dass gerade ältere Menschen zu der Gruppe von Radfahrern gehören, die auch dann noch auf den Straßen unterwegs sind, wenn ringsum sämtliche Flughäfen, Eisenbahnen, Pkw und Räumfahrzeuge den Geist aufgeben und vor der Natur kapitulieren.
Von den Radfahrern, die ich heute gesehen habe und die auch wirklich Rad fuhren, waren etwa achtzig Prozent ganz locker im Rentenalter oder drüber. Wie kommt das?
Den gesamten Nachmittag beschäftigte ich mich mit dieser Frage und schließlich erwies sich in meinen Augen nur eine Lösung als wirklich glaubhaft:
Während meiner Fahrt hatte ich festgestellt, dass es nicht möglich war, den Lenker gerade zu halten, da man das ständige Wegrutschen und Abgleiten ausgleichen musste. Diese ungewohnte zusätzliche Bewegung nach links und rechts sorgte für noch mehr Unsicherheit.
Bei älteren Menschen scheint diese kein Problem zu sein. Und genau darin liegt die Lösung, das ist des Pudels Kern, um einmal literarisch zu werden:
Wer ordentlich zittert, bleibt im Sattel.
Alte und ältere Menschen sind im Grunde an das Zittern gewöhnt und können sich so ganz natürlich an die Ansprüche des winterlichen Radfahrens anpassen.
Den Gedanken, ab jetzt nur noch vergleichsweise leicht bekleidet zu fahren, verwarf ich sofort nachdem mich mein Gedächtnis an den gestrigen Tag erinnert hatte.
Der Wald ist etwa zehn Gehminuten von der Wohnung entfernt. Ideal also, um ab und zu einen kleinen Spaziergang zu machen. Das war auch gestern mein Ziel. Ich wollte vielleicht für eine gute Stunde an der frischen Luft sein und das Winterwetter genießen.
Dass daraus zwei Stunden wurden und ich am Ende nachvollziehen konnte, wie man sich nach zu vielen Botox-Behandlungen fühlt, aufgrund derer man keine Mimik mehr besitzt, lag daran, dass ich die Entfernung meines eigentlichen Ziels vollkommen unterschätzt hatte.
Letztendlich war ich noch zwei Kilometer von der Stadtgrenze Erlangens entfernt, als es bereits so dunkel geworden war, dass ich sicher nichts mehr gesehen hätte, hätte mich nicht der Rückweg an der Bundesstraße entlanggeführt.
Von der Kälte bereits soweit bearbeitet, dass ich den Eindruck hatte, zwischen meinen Füßen und meinem Rumpf befände sich nichts, stapfte ich immer weiter. Zur Sicherheit sah ich mich häufiger um; mir war schon etwas mulmig, da mir seit knapp einer Stunde niemand mehr begegnet war und ich von den vorbeirauschenden Autos auch nur die Lichter sah. Irgendwann musste ich angefangen haben, vor mich hin zu singen, denn ich ertappte mich plötzlich beim altbekannten Kirchenlied „Großer Gott wir loben Dich“, dessen Text mir nur fragmentarisch zur Verfügung steht, was dazu führte, dass ich immer wieder die gleichen Stellen sang. Um nicht vollends ins Nirvana abzuschweifen, wechselte ich die Platte und begann sämtliche Weihnachtslieder an- oder durchzusingen, die mir geläufig sind.
Als ich meinen Ausgangspunkt dann doch wieder erreicht hatte, wurde mir klar, dass ich noch nie so sehr darauf gehofft hatte, die Leuchttafel des örtlichen Baumarktes zu sehen. Ich war wieder zu Hause. Zurück in der Zivilisation.
In der Wohnung angekommen kam mir eine Idee, deren Folgen ich zu diesem Zeitpunkt nicht absehen konnte. Ich wollte schön heiß duschen. Nicht lauwarm oder warm, nein, heiß. Gesagt, getan.
Langsam und vorsichtig machte ich die Augen wieder auf.
Ich fror.
Irgendetwas nasses lag unter mir. Meine Haare. Die Bettdecke. Ein Kopfkissen.
Mir wurde nur schleppend bewusst, was sich zwischen jetzt und dem Griff nach dem Wasserhahn abgespielt haben mochte.
Mein Kreislauf hatte verrückt gespielt und war mit dem offensichtlich zu starken Kontrast von Kälte und Wärme nicht fertig geworden. Es hatte mit leichten Nackenschmerzen begonnen, sich in schwarzen Punkten vor den Augen fortgesetzt und die letzten Schritte zum Bett musste ich schon in geistiger Umnachtung getan haben, denn erinnern konnte ich mich daran nicht mehr.
Super.
Was ich durch den oben genannten Wechsel des Liedgutes zu verhindern gesucht hatte, war mir nun innerhalb von zwei Minuten unter einer zu heißen Dusche gelungen: Ich hatte mich in fremde Welten katapultiert.
Den Rest des Abends hindurch genoss ich einen Wechsel von normalem Befinden und Schüttelfrost, unterbrochen von kurzem Unwohlsein.
Frohe Weihnachten.

Mittwoch, 14. Oktober 2009

Tauwetter - Schneesturm - Schlumpfines Hände

Ein weiser Mann, der zudem mein Onkel ist, pflegt bei all zu hohen Temperaturen immer zu sagen, dass das "Tauwetter für die Dicken" sei. Klar, der Schweiß fließt in Strömen.
Dank des Klimawandels (angenommen es gibt ihn wirklich) wird es in Zukunft häufiger zu solchen Hitzeperioden kommen, die dafür sorgen, dass Menschen mit "schweren Knochen" schnell ins Hyperventilieren geraten.
Aber zum Glück gibt es ja neben dem Sommer noch Jahreszeiten, die nicht so warm sind. Da kann man dann das, was abgetaut ist, wieder in Form von Plätzchen, Stollen oder den Handelsüblichen Schwarzwälderkirschtorten ersetzen.
Bei mir ist das seit einiger Zeit etwas anders. Ich befinde mich quasi in einer bisher nicht enden wollenden Tauwetterperiode, die - aufs Ganze gesehen - schon nah an eine Kernschmelze herankommt.
Man stelle sich einfach etwa 62 Päckchen Butter vor, die an einem strahlenden Sommertag in der Sonne liegen und gemütlich vor sich hin schmelzen.
Genau diese Menge nämlich hat sich von mir verabschiedet. Einfach so. Ohne mein Zutun. Sie sind weg. *schnipp*
Ich habe meine Masse um ein Drittel reduziert!
Problem: Ich friere wie ein Schneider!
Denn lustigerweise hat sich das Wetter gedacht "Ey, den Herbst kann eh keiner leiden...der kriegt ne mega Abfindung und wir schicken ihn in Rente."
Tja, jetz isser weg. Einfach so. Genau wie mein Drittel. Wahrscheinlich hocken die auf Grancanaria und genießen ihr Dasein.
Und wir?
Wir stapfen an einem 14. Oktober mittags um eins durch einen Graupelsturm, der selbst Reinhold Messner ernsthaft darüber nachdenken lässt, ob er nicht doch sein Sauerstoffgerät auspacken sollte.
Sind wir dann endlich zuhause angekommen, stellen wir fest, dass es im Treppenhaus sogar wärmer ist, als in der eigenen Wohnung. Ergo: Heizung anwerfen.
Gut. Man kann also wenigstens die nächte in der Gewissheit verbringen nicht am nächsten Morgen aufzuwachen und mit Schrecken feststellen zu müssen, dass man für die kommenden Tage auf diverse Glieder verzichten muss, weil sie über Nacht abgefroren sind.
Aber denken wir an die Zukunft: Wie wird dann das, was bisher Winter war? - Wir stellen fest, dass wir lieber nicht darüber nachdenken und machen uns dann doch am nächsten Morgen hochmotiviert auf den Weg zur Arbeit. Mit dem Rad. Bewegung tut gut und außerdem besitzen wir kein Auto - also ich zumindest nicht.
Als wir am Arbeitsplatz ankommen, haben wir das Gefühl, etwas verloren zu haben. Und Tatsächlich: Der Tastsinn in den Fingerspitzen hat sich verabschiedet und als wir genauer hinsehen, leuchten uns - es ist keine Sinnestäuschung - Finger entgegen, die sogar Schlumpfine vor Neid blassblau werden lassen.
Das ist das eindeutige Signal, das uns bisher gefehlt hat: Der Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung.
Grund: Er hat kein Winterfell!

Mittwoch, 23. September 2009

"Schützefeß!" die Erste

In südlichen Gefilden eher selten zu finden, in Nordrhein-Westfalen ein Muss für jeden, der nicht auf ewig von der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen sein möchte: das Schützenfest.

Fünf Tage, an denen mehr oder weniger gestandene Männer beweisen, dass man selbst beim Übergeben um Viertel nach zwölf Dank der Uniform noch gut aussehen kann; fünf Tage, an denen der Rheinländer von null auf hundert in karneval-verdächtige Stimmung verfällt und an denen Frauen wie Männer ihre Trinkfestigkeit eindeutig zur Schau stellen.

Mir wurde beim diesjährigen Schützenfest in Nettesheim-Butzheim (Rommerskirchen), Kreis Neuss, die Ehre zu Teil, den Höhepunkt der Partystimmung live, in Farbe, Bild und Ton mitzuerleben.
Nach einer fünfstündigen Fahrt am Ort des Geschehens angekommen folgte eine kurze Einweisung in die örtliche Etikette: Wundere dich über nichts, freue dich über alles und kuck dir erst mal was an, bevor du dabei mitmachst! - Wenn man so will, war das das Motto für den gesamten Abend und die darauf folgende Nacht.
Der nicht vollendete Nebensatz "es is ganz gut, dass du ne Hose und keinen Rock an hast, denn die Männer sind ja alle recht gut dabei und da...." versetzte mich nur geringfügig in Panik.
Wir standen vor dem Festzelt, dem Heiligtum, dem Sesam, gefüllt mit Schätzen von unaussprechlichem Wert: vollen Kölsch-Stangen.

Im Zelt selbst war die Stimmung schon kurz vor dem Anschlag und die übrigen Schützenkollegen meines Schützen freuten sich, dass wir - vor allem er - endlich da waren.
Die Musik war...laut, doch, ich denke so könnte man es nennen, wenn man nach fünf Minuten den Eindruck hat, dass die eigenen Trommelfelle im inneren des Kopfes auf halbem Weg zusammenditschen.
Das Motto des Zuges meines Schützen war, passend zum Wahljahr, die JBP. Für nicht Eingeweihte: Jecke Boschte - Partei.
Jecke Boschte nennen sie sich offiziell sowieso. Für das Schützenfest wurde daraus kurzerhand eine Partei gemacht, stilecht mit Wahlplakaten, die im Zelt (und im Klowagen, Abteilung Herren) aushingen, Kugelschreibern, Feuerzeugen und runden Ansteckern mit dem Parteikürzel darauf.
Zur Feier des Tages hatte einer der Jungs Lebensmittelfarbe mitgebracht, die man fröhlich ins Kölsch mischte. Lecker.

Der Höhepunkt des Abends war das Rudern.
Das Vorprogramm bestand daraus, dass die Band schon eine Stunde vor dem eigentlichen Ereignis darauf hinwies.
Als es endlich so weit war, rief das ganze Zelt samt Band rhythmisch und einer drogentrunkenen Sekte gleich "Hin-set-zen! Hin-set-zen!".
Und tatsächlich, wie Jünger eines noch unbekannten Gurus fanden sich etwa dreihundert Frauen und Männer, die sich, auf mehrere 'Boote' verteilt, auf den Zeltboden setzten. Hintereinander, wie in einem Bob.
Ein Piratenlied wurde angestimmt und das nächste Kommando führte zu extase-ähnlichen Zuständen bei den Teilnehmenden und verzückten Gesichtern bei den Zuschauern. Es hieß "Vor! - Zurück!".
Und jetzt wusste ich, warum ich mir eine Sache erst ansehen sollte, bevor ich mitmachte:
Die Matrosen griffen nach links und rechts und zogen bzw. drückten die imaginären Ruder nach hinten und wieder nach vorne.
Diese Nummer dauerte gefühlte zehn Minuten.

Der restliche Abend bestand aus getrunkenem Kölsch (nicht von mir), verschüttetem Kölsch, hochgehaltenem Kölsch, herunter fallendem Kölsch und dem Kölsch, dass sich auf den Weg in die Butzheimer Unterwelt machte.
Natürlich gab es noch andere, phantasievollere Getränke: Limo-lustig, Schwatte, Brunge, Rote-Kiste. (Den jeweiligen Inhalt lasse man sich bitte von einem Kenner erklären.)
Ich blieb bei Cola und Wasser.

Um mich herum befanden sich geschätzte 500 Menschen lachten, sangen, kreischten, brüllten und tanzten. Oder versuchten es wenigstens.
Dabei gab es keine Altersbegrenzung.
Ein besonders schrilles Kreischen lenkte meinen Blick hinter mich zur gegenüber liegenden Seite des Zeltes.
Dort stand auf einer Bank ein etwa sechzigjähriger Mann, dessen gesamtes Körperfett sich in der Mitte seines Rumpfes, vorne, angesammelt zu haben schien. Der Kopf leuchtete vor dem weißen Hintergrund (Zeltplane) und wurde von einem weißen Ring bekränzt, seine Arme reckte er von sich und wippte um möglichst erotisches Aussehen bemüht in den Knien.
Manchmal frage ich mich, ob die Natur aus reinem Sadismus den Sehsinn erschaffen hat...

Dass auch ich irgendwann auf dem Tisch einer Biergartengarnitur stand, war unvermeidbar gewesen. Aber zu meiner großen Überraschung hatte es Spaß gemacht und mir wurde wiedereinmal bewusst, dass es eben nicht so ist, dass mich alle anstarren und sich denken:
Was auch immer sie da tut, stoppt sie, bevor ich mich übergebe.
Als wir gingen, war es ungefähr drei Uhr.

Der nächste Morgen stand nach dem von mir ausgelassenen Gottesdienst die Parade mit Regimentsabnahme.
Zum ersten Mal sah ich meinen Schützen in Uniform an mir vorbei marschieren. Mit ihm die Jecke Boschte samt obligatorischem Blumenhorn.
Ein wenig stolz und gleichzeitig gerührt war ich da schon. Die ganze Zeremonie hatte etwas würdevolles.

Dass wir nach dem Frühschoppen und dem Mittagessen wieder fahren mussten, fand ich dann sogar sehr sehr schade.
Nie hätte ich, die ich große Menschenmengen auf Volksfesten, in Diskotheken, Clubs oder sonstigen Veranstaltungen eher meide, gedacht, dass mir das Schützenfest so gefällt.

Das nächste Fest kann kommen,
ich werde da sein!

Montag, 31. August 2009

Ein Tag im Wunderland - eine Windelwoche - eine Schreibtischhoffnung

Der Tag im Wunderland war vor etwa zwei Wochen und ich verbrachte ihn mit Freund und dessen Nichte und Neffen im Playmobil-FunPark in Zirndorf bei Fürth.

Dass das das absolute Paradies nicht nur für Kinder ist, war uns schon bei einem ersten Besuch im Winter letzten Jahres aufgefallen. Zwar konnte man da nur den Laden betreten, aber allein das war schon überwältigend.
Ganz nah an der Quelle. Am Ursprungsort so vieler Indianer-Cowboy-Jagden, Ritterburg-Geschichten und Puppenhaus-Episoden.

In Gegenwart all dieser sogenannten "Sets" konnte einem schwindelig werden vor Glückseligkeit...
So viele Erinnerungen an stundenlange Exkursionen in nie gesehene Phantasiewelten kamen wieder auf.

Und vor zwei Wochen konnten wir endlich den eigentlichen Park betreten.
Neun Stunden lang waren wir Piraten, Ritter, Burgfräulein, Indianer, Cowboys, Goldsucher (mit Erfolg!), Abenteurer und Baggerfahrer.
Wir waren auf einer Burg, einem Piratenschiff, im Urwald, in einer Westernstadt, auf dem Bauernhof und auf dem Bau.

Es gab Pommes mit Ketchup und Limo dazu.
Die Sonne schien bei geschätzten 28 Grad und ein Ende des Ausfluges war weder erwünscht, noch in Sicht.
Nicht nur die Kinder, sondern auch die "Wochenend-Eltern" hatten ihren Spaß!

Dass ich auf meine Sarkasmus-Kosten kommen würde, war mir klar, als die ersten Kind-sucht-Eltern-, bzw. Eltern-suchen-Kind-Durchsagen durch den Park schallten.
Wer demnächst Eltern wird und noch keinen Namen für den Neuankömmling hat, sollte sich einfach mal ein oder zwei Stunden in den Park setzen und nur zuhören. Stift und Zettel wären praktisch, um eine Liste der Namen anzulegen, die auf keinen Fall in Frage kommen.

WARNUNG:
Sollte jemand (wie wir) in seinem Alltag eher wenig bis nichts mit Kindern zu tun haben und ihnen auch recht selten in großer Zahl begegnen, sei diesem Menschen gesagt, dass er nach einem Tag im Playmobil-Paradies NUR NOCH Kinder sehen wird. Denn die Erwachsenen sind eindeutig in der Unterzahl.
Man darf sich auf keinen Fall während eines Aufenthaltes im Park die Folgen einer Vereinigung und anschließenden Revolution der anwesenden Kinder ausmalen. - Ein Nervenzusammenbruch wäre garantiert!

Aber als Resümee bleibt mir zu sagen:
Es war einfach nur schön!


Die Windelwoche
Ferienbetreuung einer Kindergartengruppe für fünf Tage stand in der letzten Woche auf meinem Plan.
Es waren zwischen sechs und sieben Kinder, die zwischen drei und sechs Jahren alt waren.
Seit meinem Seniorenheim-Praktikum habe ich nicht mehr so viele Windeln gewechselt, gefüttert und vorgelesen.
Bei einem solchen Job wird einem erst bewusst, wie unterschiedlich Kinder sein können.
Es gibt die, die keine Angst vor nichts und niemandem haben. Dann das genaue Gegenteil davon.
Es gibt die, die alles wissen und können und noch dazu besser als der Rest, wie sie glauben...
Dann sind da die zurückhaltenden Kinder, die sich bespaßen lassen und auch mal alleine ein Puzzle machen.

Aufgefallen ist mir besonders, wie sehr die beschriebenen Eigenschaften von den Eltern abhängig sind. Denn so, wie sie mit den Kindern, ihren Bekannten, Freunden, Verwandten oder Fremden umgehen, so verhalten sich auch ihre Kinder anderen gegenüber.
Auch wenn es hart klingt, aber sogar eine leise angedeutete Spur von Fremdenangst und Abwertung Ausländern gegenüber konnte ich an diesen fünf Tagen lebhaft mitverfolgen.
Das gibt einem wirklich zu denken!

Sehr bedrückend finde ich, dass es Kinder gibt, die in jeden Ferien die komplette Betreuungszeit über und ganztags bei "uns" abgegeben werden. Sechs Wochen im Sommer, dann Pfingsten und Ostern.
Dass man nicht immer mehrere Wochen von seinem Arbeitgeber frei bekommt, ist mir auch klar, aber eine Woche muss doch irgendwie drin sein?...
Auffallend ist, dass gerade diese Kinder zu den eher "schwierigen" Gästen der Feriengruppe zählen. Sie brauchen häufig einen Betreuer für sich alleine und tuen sich schwer damit, mit anderen zu spielen oder sich auf andere einzulassen.

Nächste Woche geht es mit den Grundschülern weiter. Wieder fünf Tage. Wohl wieder ganztags.
Aber einige Kinder kennen mich noch und haben mir schon berichtet, dass sie sich auf unsere gemeinsame Woche freuen. Sogar eine Mutter meinte das zu mir.
Das baut auf und gibt irgendwie ein bisschen Selbstbewusstsein.
So ein bisschen ...


Die Schreibtischhoffnung...
...lässt sich zweifach verstehen.
a) In etwa drei Wochen werde ich stolze Besitzerin eines Schreibtisches sein. Eines EIGENEN! Denn seit dem Ende meiner WG-Zeit habe ich keinen Schreibtisch mehr.
Aber bald ist es so weit und ich kann meinen Kram auch wieder einfach mal liegen lassen, ohne ihn fürs Abendessen wieder wegpacken zu müssen. - Schööööön!

b) Es sind noch drei von vier Hausarbeiten zu schreiben. Die Schreibtischhoffnung bezieht sich hier auf die nötige Inspiration und Ideenvielfalt! Hoffentlich fällt mir genug ein, um die geforderte Seitenzahl zu erfüllen, möglichst sinnvoll!
Aber nächstes Semester wird es besser.
Da sind es dann nur drei Hausarbeiten.
Nur Hauptseminare...

Freitag, 10. Juli 2009

Und auf einmal ist alles schwarz.

Es läuft Wochen und Monate gut.
Die Prüfungen bestehe ich alle mit guten Ergebnissen. Ich gebe plötzlich Nachhilfe und habe dabei nicht den Eindruck, dass es meinen zwei Schülerinnen damit schlecht geht.
Die Beziehung läuft prima und das Wetter sieht immer mehr nach Sommer aus.
Aber irgendwann ist es wieder da. Das Gefühl, das alles nicht verdient zu haben, nicht gut genug dafür zu sein.
Immer tiefer verstricke ich mich in den Gedanken, dass ich nicht mehr leben sollte. Es bringt alles nichts. Ich weiß mit mir nichts anzufangen.
War das Studium die richtige Wahl? - Nein.
Aber was sonst? - Keine Ahnung, ich kann ja nichts.
Ich habe vor allem Angst.
Vor dem nächsten Tag.
Vor der Nacht.
Vor dem Alleinesein.
Vor dem Nicht-Alleinesein.
Aber am meisten vor mir selbst. Ich bin vor mir nicht mehr sicher.
Lange Zeit habe ich mal mit dem Gedanken gespielt, mich als Babysitterin zu melden.
Das kann ich erst mal knicken.
Denn im Moment muss ich 24 Stunden lang auf mich selbst aufpassen. Darauf achten, keinen Blödsinn zu machen.
Und ganz besonders: Keinen Blödsinn zu denken.
Denn allein die Gedanken sind schon heftig.
Sie führen zu Schweißausbrüchen, ständigem Zittern und endloser Verzweiflung.
Die Sehnsucht nach einer längst vergangenen Zeit kommt wieder hoch, von der ich mir immer gewünscht habe, dass sie nie enden würde. Aber im Sommer 2006 war meine Schulzeit beendet. Das Abi war geschafft und die Abschiedsfeier vorbei.
Was jetzt?
Jetzt habe ich kein Ziel mehr, keine Aufgabe. Ich gehöre nirgendwo mehr hin. Bin heimatlos. Verloren.
Ich falle nur noch.
Es folgten fast sechs Monate Klapse, dann ein knappes Jahr Therapie und viele Pillen.
Langsam keimte das Gefühl, dass ich es vielleicht tatsächlich wieder ohne Chemie schaffen könnte.
Am Montag dieser Woche war es soweit.
Der erste Tag ohne Pillen. Keine einzige mehr. Natürlich alles abgesprochen.
Ich erlebte sechs Stunden lang, wie es ist, ein chemiefreies Leben zu führen.
Dann kamen die Entzugserscheinungen.
Übelkeit. Schwindel. Kopfschmerzen. Orientierungslosigkeit. Konzentrationsstörungen.
Und das Schlimmste: Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Sie waren wieder da, die für mich einst so felsenfest stehenden Fakten, dass ich es nicht wert bin, zu leben. Dass ich nur eine Last bin. Dass ich nur einen Platz blockiere, der eigentlich für einen besseren Menschen gedacht war.
Bis Dienstag konnte ich mich noch zusammenreißen. Abends ging gar nichts mehr.
Ich fuhr in die Notaufnahme. Hätte ich das nicht getan, könnte man diesen Text hier nicht lesen.

Jetzt nehm ich wieder Pillen.
Langsam verschwindet die Übelkeit, der Schwindel ist weg und der Schmerz im Schädel wird blasser.
Aber die Gedanken sitzen hinter der Mauer aus Chemie und warten grinsend darauf, dass sie wieder abgebaut wird.
Sie sitzen da. Und ich weiß es.
Ich weiß es, weil ich sie hören kann.
Die Angst haben sie mir gelassen, die lehnt sich locker an die Mauer und scheißt auf die Chemie.
Es ist die Angst vor dem Leben.
Nicht vor meinem Leben.
Vor dem Leben überhaupt.

Was jetzt...
War alles umsonst?
Im Moment sieht es so aus.
Für andere Meinungen sind meine Ohren zumindest offen. Ob mein Herz (wie melodramatisch) das versteht, weiß ich nicht.
Und ob es einen Versuch wert ist...wer weiß...

Donnerstag, 14. Mai 2009

Wie Frauen Glück definieren

Der Zustand, der allgemein als Glück bezeichnet wird, ist für jeden Menschen anders definierbar. Für den einen ist es ein kühles Bier auf dem Bierkeller seiner Wahl, für den anderen ein schickes Auto, der nächste fühlt sich im Glück, wenn er verliebt ist und wieder ein anderer sieht sein Glück in dem sicheren Arbeitsplatz, den er sein Eigen nennen kann.

Was für mich (u.a.) Glück ist, habe ich letzte Woche feststellen dürfen.
Seit langer Zeit quälte mich das Gefühl, dass ich mich zwar körperlich durchaus verändert habe, also rein massetechnisch, dass sich aber an meinem Äußeren kleidungstechnisch nichts getan hat. Ich bin immer noch der Hosen-Typ, wohl gemerkt lange Hosen. Auch im Sommer. In meinem Schrank befinden sich zwei Hosen, die ich abwechselnd trage. Eine Schwarze aus Stoff und eine Braune aus Cord mit Schlag. Die potentielle Dritte kann ich nicht mehr anziehen, weil sich aufgrund meiner geringeren Masse und Maße lästige Falten bilden, wenn ich sie mit einem nun notwendigen Gürtel vor dem Herabrutschen schützen möchte.
Etwas wirklich Weibliches wird sich in meinem Kleiderschrank nicht so leicht finden (das Ballkleid ausgenommen). Dieser Zustand muss sich ändern!
Zwei Wochen lang geisterte mir die Frage durch den Kopf, ob ich es mir vom Aussehen her leisten könnte, einen Rock zu tragen.
Dass mein Pessimisten-Hirn mir nur Argumente aufzeigen würde, die dagegen sprechen, war mir bewusst. Daher blendete ich fünfzig Prozent davon schon mal aus.
Und letztlich waren die anderen fünfzig nicht mehr stark genug, um die wenigen positiven Argumente zu übertreffen.
Am Freitag machte ich mich nach der Uni daran, mir zum ersten Mal in meinem gesamten Leben als biologisch weibliches Wesen selbst einen Rock zu kaufen.
Das Kuriose an der ganzen Sache: Irgendwer, schien meine Gedanken gelesen zu haben und aus sämtlichen Läden, die ich unsicher aber doch gezielt ansteuerte, alle vorhandenen Röcke in ein mir unbekanntes Lagerhaus am Rande der Stadt zu bringen.
Ich fand einfach keine. - Zumindest keine, bei denen man sich nicht schon beim Betrachten überlegen musste, was die anderen Menschen denken werden, wenn man vor ihnen läuft und sie sich den ganz persönlichen Grand Canyon = Hintern in aller Ruhe genau ansehen können, weil der Stoff seine eigentliche Aufgabe, nämlich etwas zu verhüllen, aufgrund der geringen Dichte nicht erfüllen kann.
Dann gab es noch die etwas zu breit geratenen Gürtel, die den Namen Rock nun wirklich nicht verdient haben, weil sie bündig mit dem der Erde am nähsten liegenden Punkt der Unterhose (falls denn vorhanden) abschließen.
Für mich blieben nur drei Modelle. Immerhin.
Modell a) Der Jeansrock:
Eine steife, schwere, tonnenförmige Röhre, die jeden, der sich hinein wagt, wie einen ganzen Ballen Jeansstoff aussehen lässt, der aus den 70er bzw. 80er Jahren herüber gerollt ist.
Modell b) Der zu groß geratene Stoffrest:
Ein rechteckig geformtes Stück Stoff, das üppig dimensionierten Frauen gerne mal als total figurfreundlich, ja, in "ihrem besonderen Fall nahezu schmeichelnd" die offensichtlich überflüssigen Pfunde umspielen soll. - Das Muster soll nicht näher beschrieben werden, das wäre zu viel der Ehre.
Modell c) Der sportliche Sommerrock:
Weiß, knapp unterhalb des Knies mit einer modischen Naht abschließend und mit sportlichen Taschen vorne, hing er in der hintersten Ecke des Ladens in diversen Größen an einem Kleiderständer. Zu einem Schattendasein verbannt, obwohl gerade richtig. Und zu meiner Freude in einem nicht-deutschen Größenmaß ausgezeichnet, so dass ich nun von mir behaupten kann, dass ich Größe 36 trage! Und das am ARSCH! - Um es mal deutlich zu machen...

Wofür ich mich letztlich entschieden habe, dürfte jedem klar geworden sein.
Ich fühlte mich glücklich wie lange nicht mehr beim Klamottenkauf.
Das Beste: Der Rock steht mir sogar und ich trage ihn gerne.
Die vom Ekel des Anblicks erschrockenen Gesichter derer, die mir entgegen kamen, blieben aus. Niemand wandte sich dezent dem nächsten Buchsbaum zu, um sich darin oral zu entleeren.
Auch die Kinder in der Fußgängerzone liefen nicht schreiend davon oder versteckten sich hinter Mamis Model-Beinen, weil sie befürchteten, der Marshmallow-Mann aus Ghost-Busters wäre auferstanden.
Es war ein ganz normaler Gang durch die Innenstadt.
Und mir ging es gut.

Donnerstag, 9. April 2009

Faultier auf Rekordjagd

Was passiert, wenn man Frühlingswetter, Frühlingsgefühle und Speckröllchen kombiniert?
Man kommt auf vermeintlich super tolle Ideen, die sich später als komplett verrückt entpuppen.

So geschehen am letzten Wochenende.

Ein Blick in den Spiegel und danach auf die Anzeige der Waage waren der Anfang. Ich muss etwas tun. Das Zeug muss runter. Du bist zu viel!
Kurz: Ich entschied mich dazu, mich zu reduzieren, rein massemäßig.
Dieser Gedanke verband sich mit der Traumvorstellung, die ich seit ein paar Jahren mit mir herumtrage, dass ich eines Tages mit meinem Partner morgens durch den Wald joggen werde. Ein sportliches Paar, das die Natur genießt! Wunderbar...

Letzten Samstag war es dann also so weit. Ich zog mich im Rahmen meiner Möglichkeiten möglichst "cool und sportlich" an und war schon fast davon überzeugt, dass das schon mal geglückt war, bis ich meinen Freund in seinem schwarzen Laufanzug und mit seinem schwarzen Cappy sah. - Nein, ich bin nicht cool. Und sportlich schon gar nicht.
Wir liefen los.
Prompt überraschte ich mich selbst, denn am Ende unserer Straße (nach etwa 60 Metern) lag ich noch nicht japsend im Rinnstein, in der Hoffnung, dass der Krankenwagen noch rechtzeitig bei mir eintreffen würde.
Ich fühlte mich gut.
Bereits nach 200 Metern bot mein Freund an, dass wir ruhig eine kurze Gehstrecke einlegen könnten und wurde langsamer. - Das juckte mich allerdings kein bisschen. Ich lief weiter.
Durch das Wohngebiet hindurch immer richtung Obi.
Ein Stück des Weges führte an einer riesigen, sandigen Wiese vorbei, die zu einem Naturschutzgebiet gehört. Dort stand kein Baum, kein Strauch, nur eins: die Sonne! Und sie schien gnadenlos ihre gesamte Wärme auf mich zu strahlen.
Ein wenig kam ich mir vor, wie Tom Hanks, der läuft und läuft und läuft und dabei auch durch die Wüste rennt.
Nur stand keiner am Rand und brüllte "Lauf, Stina! Lauf!".
Im Wald angekommen war der nächste Checkpoint, den ich mir gesetzt hatte, das Wildschweingehege.
Eines hatte ich nicht bedacht: Bei so schönem Wetter waren dort nicht nur die Schweine anzutreffen, die sich locker an einem schattigen Baumstamm schubberten und mir höhnisch zuzugrunzen schienen.
Mehrere Familien standen am Zaun des Geheges. Junge, glückliche Paare. Sportlich, schlank und interessiert ein Faultier betrachtend, das gerade versuchte, einen neuen Weltrekord auf die 100 Meter - Strecke aufzustellen. Das Erlebnis des Wochenendes schlecht hin.
Letztendlich habe ich die von mir innerlich festgesetzte Strecke überstanden.
45 Minuten Joggen am Stück ohne vorheriges Training auf unbekannter Strecke waren von mir niedergekämpft worden.

Die Rache kam am Sonntag.
Die Nacht war auf Grund einer Geburtstagsfeier relativ kurz gewesen. - Wenn ich auch bis halb zwölf im Bett gelegen hatte.
Was anderes war allerdings auch kaum möglich. Es war ein ganzer Wurf an Muskelkatern, der mich bei jeder Bewegung an den vorherigen Tag erinnerte.
Trotzdem gingen wir wieder Laufen.
Gleiche Strecke. Diesmal hielt ich allerdings länger durch und war schneller als tags zuvor.

Es fühlte sich jedoch immer noch so an, als würde ich an einem verkaufsoffenen Sonntag nackt durch die Innenstadt laufen und dabei immer wieder Halleluja rufen.
So richtig cool bin ich also immer noch nicht.

Montag, 6. April 2009

Das Ende einer Beziehung

Vor knapp zwei Jahren sah ich ihn zum ersten Mal. Ein sportlicher Typ, der zwar nicht brandneu, aber trotzdem richtig gut aussah.
Nach anfänglichen Zweifeln konnte ich mich letztlich dann doch für ihn entscheiden. Seit Mai 2007 begleitete er mich durch mein Leben. Wir verbrachten viel Zeit miteinander und er brachte mich immer wieder an meine Grenzen. Egal, ob es regnete, die Sonne schien oder der Schnee rieselte, wir hielten zueinander. Wann immer es die Zeit zuließ, waren wir unterwegs. Wir erkundeten gemeinsam meinen neuen Lebensmittelpunkt, erlebten gute und schlechte Zeiten. Wenn er mal nicht ganz fit war, tat ich alles, um es ihm wieder besser gehen zu lassen.

Leider gibt es Beziehungen, die nicht so verlaufen, wie man es sich vorstellt. Anfangs war es noch sehr ausgeglichen, aber bald bemerkte ich, dass ich sehr viel in uns investierte, während von ihm immer häufiger Forderungen gestellt wurden.
In letzter Zeit wurde es mir dann schließlich zu viel und ich fasste den Entschluss, dass es einfach nicht mehr geht.
Ich habe mich verändert. Er auch. Allerdings in unterschiedliche Richtungen.
Daher ist nun Schluss.
Das Paar "ich und Udo" gibt es nicht mehr.
Udo muss gehen.

An Ostern werde ich mein neues Fahrrad abholen. In der Hoffnung, dass ich nicht so viel Geld in die Instandhaltung stecken muss, wie bei Udo.
Mein blaues Herrenrad geht.
Die Erinnerung bleibt.

PS: Und die Elefantenhupe!

Donnerstag, 26. März 2009

In 100 auf 2,0.

Dass ich bei Prüfungen etwas anders bin, als die meisten, ist mittlerweile bekannt.
Bei meiner Zwischenprüfung in NDL mit dem Hauptthema "Vom Biedermeier bis zum Naturalismus" (eine Vorlesung, zu deren Stoff die Fragen gestellt wurden)war das nicht anders.
Von den zur Verfügung stehenden 240 Minuten benötigte ich knappe 100. Die Zeit für Überarbeitung und "noch mal Durchlesen" ist schon inklusive.
Mit einem ungewohnt guten Gefühl ging ich nach Hause, stellte beim Nachschlagen fest, dass ich eine Antwort auf jeden Fall falsch hatte und entschied mich dafür, nicht länger darüber nachzudenken, was noch alles daneben gegangen sein könnte.
Da auf dem Angabeblatt stand, dass das Ergebnis frühestens nach acht Wochen zu erwarten sei, stellte ich mich auf eine lange Leidenszeit mit viel Grübelei ein.
Das war am 12. Februar.

Gestern bekam ich eine Nachricht von einer Freundin, in der stand, dass die Ergebnisse bereits vorliegen und man sich die Unterlagen im Prüfungsamt abholen kann. Sie habe die Information bekommen, dass diejenigen, die noch keinen Brief von der Uni erhalten hätten, bestanden haben.
Als ich das las, war es halb neun abends. Ich war seit Samstag nicht mehr in meiner alten Wohnung gewesen, wusste also nicht, ob nicht in den paar Tagen dazwischen ein Brief für mich angekommen war.
Dass die Nacht nicht angenehm war, versteht sich von selbst.
Daran konnte auch die Verfilmung von Hemmingways Klassiker "Der alte Mann und das Meer" nichts ändern.
Ich träumte wirres Zeug, starrte stundenlang an die Decke und malte mir sämtliche Möglichkeiten aus, was zu tun sei, da ich mit Sicherheit einen Brief finden würde, in dem stand, dass ich nicht bestanden habe.

Heute morgen fuhr ich mit dem Rad zu meiner Wohnung. Mein Postfach im Treppenhaus war leer, aber das hieß nichts, denn selten holte einer der Mitbewohner die Post aus dem Briefkasten.
Dieser war mein nächstes Ziel. Er war gefüllt. Ich wühlte mich durch den Stapel und fand nur einen Umschlag mit einem bunten Muster und einem aufmunternden "Hej" darauf. Schön, dass sie einem die Niederlage versüßen wollen. Echt nett.
Allerdings sah ich schnell, dass es sich um Post von IKEA handelte.
Hm.
Dann also auf zum Prüfungsamt.
Dort wurde ich von bunten Zetteln an diversen Türen vom einen zum anderen Büro geschickt, bis ich endlich das für mich zuständige Prüfungsamt erreicht hatte.
Dort ging es dann relativ schnell.
Ich zeigte meinen Ausweis vor, die Dame holte einen Hefter aus einem riesigen Aktenschrank, ich fragte kleinlaut, ob ich denn bestanden hätte und sie sagte nur nach kurzem Zögern, das mich in leichte Panik versetzte "Ja. Und sogar richtig gut.".
Damit war dann auch schon alles erledigt.
Ich bekam mein Zeugnis, die von mir eingereichten Scheine, musste noch kurz unterschreiben und war schon wieder aus dem Büro verschwunden.

Herrlich.
Ich habe es also tatsächlich geschafft.
Mit einer annehmbaren 2,0 habe ich die ZP (Fachjargon) bestanden.
Das ist mal wirklich ein guter Tag.

In Metern bitte!

So ein Umzug ist ja durchaus etwas Feines.
Man kommt in eine neue Gegend, lernt neue Menschen kennen, neue Geräusche. Wenn man mit seinem Freund zusammenzieht, hat es noch einen Vorteil: Man ist nun noch mehr zusammen, teilt alles miteinander, gehört komplett zusammen.
Doch vor diesen ganzen Freuden liegt ein großes Aber. Der Umzug.
Bei vielen Dingen ist schnell klar:
Das muss mit!
Die CD-Sammlung auf jeden Fall, die Platten und der Plattenspieler sowieso. Uni-Unterlagen, diverse Leitzordner, Fotos, Bilder, Fotoalben, Musikinstrumente, Schreibkram, Bücher...
Moment. Wo sollen die ganzen Bücher hin. Hm. Naja, so viele sind es ja gar nicht. Würde ich sie alle nebeneinander stellen, käme ich vielleicht auf so...eventuell...pi-mal-Daumen...sieben oder acht Meter. Das ist nicht die Welt. Millionen Menschen besitzen mehr Bücher als ich.
Also ab damit in die Kartons und Stoffbeutel, die noch nicht voll sind und los geht's in die neue Wohnung.
Dort bricht mein Freund erst mal innerlich in einen Schreikrampf aus. Äußerlich macht sich das durch hochgezogene Augenbrauen und ein erstauntes "Oh!" bemerkbar. Ganz klar: Es muss ein neues, nein, zwei neue Regale müssen her. Wohin wir die Stellen ist zunächst egal, hauptsache, sie sind da.
Nachdem wir also mit dem geliehenen Clio losgefahren sind, kommt uns beiden ein schrecklicher Gedanke: Wie bekommen wir ein über zwei Meter hohes Regal in diese Knutschkugel? Das letzte Mal war es ein Passat Kombi!
Zum Umkehren ist es zu spät, da vorne ist schon der IKEA-Parkplatz.
Beim Beladen des Autos erlebten wir allerdings ein Wunder, um es näher zu beschreiben, ein Raumwunder. Denn keiner von uns beiden musste den Rückweg zu Fuß bewältigen. Wir passten prima MIT den Regalen ins Auto und ein Einkauf für's Wochenende hatte auch noch Platz, inklusive einem Kasten Wasser!

Das Aufbauen der Regale war kein Problem. Als eingespieltes Team, meisterten wir diese Aufgabe mit Links.
Die nächste Frage war allerdings: Wie sortiere ich meine Bücher? Nach Autor, Thema, Titel oder Verlag? Auf die Schnelle kam mir dann die Lösung: nach Größe!
Das passte auch wunderbar. Das Regal war komplett ausgefüllt und von der Rückwand war nichts mehr zu sehen.
Die Aufforderung, ich solle doch ruhig auch das große Regal (zwei Meter plus) nutzen, wurde von mir dann wenige Tage später angenommen.
Das bedeutete jedoch auch, dass ich neu sortieren musste. Diesmal jedoch nach meinem altbewährten System:
1. Stufe: deutsch - fremdsprachig
2. Stufe: nach Autor
3. Stufe: innerhalb eines Autors nach Titel
4. Stufe: Bücher, die keinen Autor haben, weil sie Sammlungen sind, stehen zusammen.

Das Ordnen dauerte etwa zwei Stunden, weil ich ab und zu in einem Buch blätterte oder feststellte, dass ich noch einen C-Autor vergessen hatte, mich aber bereits bei K-Autoren befand.
Letztendlich stehen sie nun alle schön sortiert in ihren Regalen und ich bin zufrieden.
Demnächst kommen die CDs dran. Wobei die Hälfte davon immer noch in einem Karton verstaut ist. Grund: Kein Regal...

Donnerstag, 19. Februar 2009

Ich bin kein Gewohnheitstier.

Nacht im Hirn
und Dunkelheit,
die langsam stumm
die Augen füllt.
Stille brüllt
von allen Seiten
prügelnd auf
ihr Opfer ein.
Hände suchen
zitterndblind
nach Halt in
Schwerelosigkeit.
Adern krallen sich
laut flüsternd
an mondbleichen
Knochen fest.


Das fiel mir ein, als ich nach zwei von vier Stunden mit der Zwischenprüfungsklausur fertig war.
Ich saß im Audimax, wartete darauf, dass eine Bekannte mit ihrer Arbeit fertig wurde und starrte Krater in die stickige Luft.

Ja, der Gedanke, dass alle anderen um mich herum noch schrieben und sich teilweise noch neues Papier holten, während ich da saß und etwas auf die Rückseite des Angabenblattes kritzelte, was irgendwie nach Gedicht aussah, machte mir schon ein wenig Sorgen.
Allerdings wusste ich nicht, was ich sonst noch hätte schreiben sollen.
An diese Situation sollte ich mich im Grunde langsam gewöhnt haben, denn es ist schließlich bei jeder Klausur der Fall, dass ich nach etwa der Hälfte der Zeit zum Ende komme, während die restlichen Prüflinge gerade ihre kreative Hochphase erreicht haben. Traurig aber wahr.
Irgendwie scheint bei mir die Verbindung zwischen Hirn und Hand mit einer zweitausender DSL-Leitung vergleichbar zu sein, während die zwischen Hirn und Mund = Sprechwerkzeug noch analog funktioniert.
Für eine zukünftige Lehrerin nicht gerade die besten Voraussetzungen, wie ich finde. Wohl eher für eine Angehörige der schreibenden Zunft.
Mal sehen, wie lange ich meinem bisherigen Weg noch treu bleibe.
(Wie ich mich und meine selbstverfassten Grundsätze kenne, gehe ich bis zum Schluss, um danach zu sagen "So doll is es jetz nich, aber ich mach's halt mal.".)
Aber gut.
Alles ist irgendwann einmal vorbei. Oder um es mit einer bekannten rheinischen Kabarettistin zu sagen:
" Wenn de Mittwoch überlebs, is Donnerstach!"
(Gerburg Jahnke, ehem. Missfits-Mitglied)

In diesem Sinne bereite ich mich jetzt auf die online-Anmeldung heute nacht um null Uhr vor. Psychisch.
Und danach auf den Besuch des Kölner Rosenmontagszuges!
Alaaf!

Es ist, als ob...

Manchmal ist es ja ganz praktisch, dass man jemanden kennt, bei dem man sich für ein Wochenende mal ein kleines Auto borgen kann.
Dann geht man da hin, holt sich den Wagen und macht sich wieder auf den Weg nach Hause. Man ist auf der Autobahn unterwegs und schwankt mit der eigenen Aufmerksamkeit zwischen dem Radiobeitrag und den eigenen Gedanken hin und her.
Man überholt andere und andere überholen einen. Ganz normal. Immer wieder rauschen Autos an einem vorbei, von denen man, wenn man Glück hat, gerade noch die Farbe erkennen kann, weil sie so schnell, wie sie auftauchen auch wieder verschwinden.
Im Radio läuft irgendein Stück Weltmusik.
Wieder düst ein Wagen vorbei.
Zwei Sekunden später läuft alles wie in Zeitlupe:
Der Wagen fünfzig Meter vor mir will die Spur wechseln, blinkt und ist schon mit zwei Reifen auf dem linken Fahrstreifen.
Der vorbeigezischte Wagen nähert sich dem vor mir mit einem Affenzahn, verringert sein Tempo aber nicht.
Der Wagen vor mir will wieder auf seine rechte Spur zurück, reißt das Lenkrad herum, verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug, schießt erst gegen die rechte Leitplanke, dreht sich um seine eigene Achse, donnert dann gegen die Mittelleitplanke und bleibt dann entgegen der Fahrtrichtung auf dem linken Fahrstreifen stehen.
Unter meinem Auto kratzt irgendwas. Der untere Teil der Stoßstange des Unfallwagens, der sich beim Aufprall gelöst hat.
Ich fahre rechts ran. Warnblinkanlage. Durchatmen.
Mit ist nichts passiert. Es ist alles gut.
Aber was ist mit dem Fahrer des anderen Autos?
Im Rückspiegel sehe ich, dass noch ein Wagen gehalten hat.
Ich bin schon mal nicht alleine.
Sehr gut.
Ich gehe ebenfalls zum Unfallwagen.
Dem Fahrer geht's gut. Nur das Auto hat was abbekommen.


Letztlich war alles halb so wild.
Aber diese paar Sekunden, in denen das Auto vor mir auf der Autobahn von rechts nach links getanzt ist, waren sehr extrem.
Erst als ich meine Fahrt fortsetzte, wurde mir langsam bewusst, wieviel Glück ich gerade gehabt hatte.
Es hätte viel mehr passieren können. Dem Mann in dem Auto - und mir auch. Ich fuhr ja nur fünfzig Meter dahinter. Und wir waren beide mit etwa 120 km/h unterwegs. Nicht gerade langsam.

Danach gingen mir die verrücktesten Sachen durch den Kopf.
Was wäre gewesen, wenn dem Mann etwas Schlimmes passiert wäre. Hätte ich ihm wirklich helfen können?
Was, wenn ich nicht so schnell reagiert und auf den Standstreifen gewechselt hätte?
Oder wenn die hinter uns Fahrenden nicht genug Abstand gehalten hätten?

Ich glaube, dass so ein Erlebnis (wenn es auch kein wirklich Schlimmes gewesen ist) die Aufmerksamkeit enorm schärft.
Da wird einem wieder bewusst, wie wichtig der Abstand zu den anderen Fahrzeugen ist, dass man den Schulterblick nicht vergessen sollte und Raserei einen auch nicht schneller ans Ziel bringt.

Ich bin jedenfalls dankbar (wem auch immer), dass keinem etwas passiert ist.
Vergessen werde ich das auf keinen Fall so schnell...

Mittwoch, 28. Januar 2009

Wer nicht spielt, kann nicht gewinnen.

Diesem Motto schließe ich mich heute ein mal an.
Gerade schnappte ich mir meinen Schlüssel, zog die Haustür hinter mir zu und machte mich auf den Weg zum Getränkehändler, um dort den ersten Lottoschein meines Lebens auszufüllen.

Ein komisches Gefühl war es schon, möglichst wild und ohne darüber nachzudenken, welche Zahlen denn gezogen werden könnten, die kleinen Kästchen durchzukreuzen. Ich versuchte immer ein System dahinter zu entdecken, der Maschine ein gewisses gedankliches Konstrukt überzustülpen.
Dabei ist es ja rein mathematisch zwar nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich, dass gerade ich die Zahlen angekreuzt habe, die heute abend der Reihe nach aus der Maschine fallen werden.

Aber vielleicht wirkt hier der berühmte Herdentrieb, gepaart mit der Gier nach dem großen Geld, den Möglichkeiten, die sich damit verbinden und dem unbestimmten Gefühl, eben doch irgendwann einmal Glück haben zu müssen.

Vor zwei Sekunden meinte eine Hörerin auf Bayern 2, dass alle, die Lotto spielen und ein Abitur besitzen, dieses zurückgeben sollten.
Diese Frau hat meiner Meinung nach eine falsche Ansicht zum Thema Lotto.
Sicher, es gibt Menschen, bei denen es zur Sucht geworden ist und die es wirklich zwanghaft betreiben.
Meiner Meinung nach ist es jedoch in Ordnung, wenn es jemand aus reinem Spaß macht. - Wie ich. Hm. Und das sage ich mit einem verschmitzten Grinsen.

Ich werde heute abend vor dem Empfänger sitzen und abwarten, ob es sich gelohnt hat, die knapp dreißig Euro zu investieren. - Der Schein gilt schließlich noch zwei Wochen, das heißt, wenn es heute abend nicht klappt, kann es ja in den nächsten 14 Tagen klappen.

So long.

Mittwoch, 17. Dezember 2008

Wie fühlt man sich mit 22?

An meinem Geburtstag im Herbst antwortete ich auf diese Frage „Wie mit 21.“.
In letzter Zeit beschäftigte mich diese Frage wieder und mir wurde klar, dass ich jetzt anders antwortete.
Man fühlt sich eben nicht wie mit 21, sondern man hat den Eindruck, dass nun der körperliche Verfall vollends begonnen hat. Ein Biologielehrer sagte mal, dass ab 20 der Körper langsam verfällt. Damals dachte ich – und das war auch seine Aussage – dass man davon noch nicht so viel mitbekommt. Heute muss ich diese Ansicht revidieren. Denn die Zeichen, die ein 22-jähriger Körper seinem Insassen senden kann, deuten auf einen beschleunigten Verfallsprozess hin.
Kopfschmerzen sind da noch das geringste Übel, wenn sie auch dazu führen, dass man – wäre man ein Hund – den Wesenstest sicher nicht bestünde, weil der ständige Druck im Kopf soviel Aggression erzeugt, dass man sich schon sehr zusammennehmen muss, um andere nicht wegen noch so kleiner Dinge anzufahren.
Nein, es gibt noch andere Leiden, die so gar nicht zu einem „twen“ passen.
Beispielsweise das Gefühl, dass sich in jeder Nacht ein Elefant seinen Schlafplatz auf dem eigenen Brustkorb sucht. Atmen geht gerade noch, Lachen ist unmöglich und nicht daran zu denken, dass diese eventuell ein Hinweis auf einen Infarkt sein könnte, ausgeschlossen.
Eben diese Probleme in Kombination mit Nacken- und Rückenschmerzen führten dazu, dass ich mich dazu durchrang, zum Arzt zu gehen.
Dort stand natürlich eine Blutentnahme an, was bei mir nicht in zehn Minuten erledigt ist, sondern zu einer Prozedur von gefühlten zwei Stunden, realen fünfzig Minuten ausartet. Grund dafür ist die unvorstellbare Angst, die ich dabei jedes Mal durchlebe und die Tatsache, dass ich mit ziemlich versteckten Adern ausgestattet bin. Es wäre also an sich schon nicht einfach, eine Ader zu treffen. Sollte es dann doch gelingen, sorgt meine Angst dafür, dass nicht ein Tropfen fließt. Man könnte glauben, ich sei ein blutleeres Wesen.
Dass dem nicht so ist, zeigt sich, wenn dann enttäuscht die Nadel entfernt und ein kleines Pflaster aufgeklebt wird, auf dem sich nach wenigen Sekunden ein kleiner roter Punkt zeigt.
Um es kurz zu machen: Ich wurde drei Mal gestochen, bis etwas kam und bin dabei zwei Mal komplett zusammen geklappt, einer Ohnmacht mehr als nahe.
Das anschließende EKG hatte das Ergebnis, dass mein Herz – im Gegensatz zu mir – zu viel tut. Es schlägt ein paar Mal zu oft. Extrasystolen nennt man diese Schläge. Eine Woche später wurde mir deshalb ein Langzeit-EKG umgeschnallt bzw. angeklebt und am nächsten Tag sollte ich das Ergebnis dazu erfahren.
Ich saß im Wartezimmer. Alleine. Die Schwester führte draußen ein Telefonat: „Ich bräuchte einen Herzkatheter für Januar.“
Moment. Ich kombinierte so:
Beim Hereinkommen war mir kein weiterer Patient aufgefallen, es war sehr früh am Tag, im Wartezimmer hing keine Jacke, stand kein Schirm, ich saß da völlig allein. Ergo: Der Herzkatheter war nicht nur für Januar, sondern auch für mich!
Da mein Vater in den letzten Monaten sowohl einen Katheter, als auch eine Bypass-OP hinter sich gebracht hatte, wusste ich, was auf mich zu kam. Lebensgefährliche Eingriffe, die man nicht einfach so aus Spaß an einem Menschen vornahm. – Ich war in Gefahr! Eine tickende Zeitbombe. Jede Sekunde konnte meine Letze sein. Wem musste ich unbedingt noch danken, von wem musste ich mich persönlich verabschieden? Wie brachte ich meinem Freund bei, dass er wohl bald wieder Single sein würde? – Ich wurde aufgerufen.
Die Ärztin – klein, zierlich, verdächtig freundlich – begrüßte mich und nah mich mit in ihr Sprechzimmer. Dort bat sie mich ruhig und wieder sehr freundlich, Platz zu nehmen.
Selbstverständlich machte mich diese ganze Ruhe und Freundlichkeit noch skeptischer und keineswegs gelassener.
Gleich würde sie mir sagen, dass ich mich auf einen baldigen Tod einstellen sollte. Gleich wäre der Moment gekommen, in dem sie mir vertrauensvoll und tröstend in die Augen schaut und mir mitteilt, dass es wohl noch zwei oder drei Wochen sein könnten. Vielleicht auch länger. Wer weiß.
Dann kam die Diagnose endlich: Sie haben leichte Herzrhythmusstörungen. Es sind nicht gerade wenige, aber es ist nicht so schlimm, dass man Medikamente geben müsste.
Sofort wollte ich all meine Fragen geklärt wissen: Ist das lebensgefährlich? Was kann ich dagegen tun? Kann ich noch Sport treiben? Gibt es einen Zusammenhang mit Herzinfarkt? – Die Frage, wie lange ich noch zu leben hätte, verkniff ich mir, wenn es mir auch schwerfiel. –
Die Ärztin antwortete ziemlich eindeutig:
Es ist nicht lebensgefährlich, das ist wahrscheinlich angeboren, da kann man nichts dagegen tun, Sport ist kein Problem und es gibt keine Verbindung zu Herzinfarkt. Hormone oder Stress könnten die Auslöser dafür sein, dass ich das Stolpern verstärkt wahrnehme.

Als ich die Praxis verließ, machte sich überraschenderweise weder Erleichterung noch Besorgnis breit. Ich fühlte mich neutral.
Schließlich war das Stolpern nicht weg. – Ist es übrigens immer noch nicht ganz. – Mein Rücken fühlt sich an, als wäre meine Wirbelsäule aus Stacheldraht, mein Nacken ist versteinert, die Kopfschmerzen – mittlerweile migränewürdig – sind zu meinen ständigen Begleitern geworden und was den Elefanten auf meiner Brust angeht, überlege ich im Moment, ihm einen Namen zu geben, denn er hat sich schon häuslich eingerichtet.
Geändert hat sich also nicht wirklich etwas.

So fühlt man sich mit 22. Ziemlich kaputt.
Vielleicht baut das all diejenigen ein wenig auf, die älter sind als ich und die sich Gedanken machen, weil es hier und da mal zwickt, sticht oder drückt.
Keine Panik: Sie sind nicht alleine!

Mittwoch, 10. Dezember 2008

Ich bin ein Molltier.

Dieser Gedanke kam mir, als mir der Esel von Winnie Puh einfiel und ich mir klar machte, dass dieser immer traurig und ein Maultier ist.
Weil ich ein musikalischer Mensch bin, brachte ich den Gefühlszustand „traurig“ mit der musikalischen Entsprechung dafür in Verbindung: Moll.
Und so erschuf ich das Molltier!

Es befindet sich ständig in der Grundstimmung des Traurigseins. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht humorvoll auf die Lebewesen in seiner Umgebung einwirken kann! Ein Molltier kann durchaus lustig sein, wenn auch ungewollt. Seine zu realistische Einstellung führt immer wieder zu Bemerkungen, die stark satirisch oder ironisch sind.
Es lebt sein Leben vor sich hin, hängt nicht sonderlich daran, möchte es aber auch nicht unnötig aufs Spiel setzen. Seine Umgebung betrachtet es mit einer gesunden Portion Zynismus und häufig zuerst einmal mit Skepsis. Hat es jedoch Vertrauen gefasst, gibt es den neuen Bestandteil seiner kleinen trüben Welt nicht mehr auf.
Besondere Ansprüche stellt es nicht, ist sozusagen pflegeleicht.
Eine Kleinigkeit macht dem Molltier allerdings ziemliche Probleme: Nähe zu anderen Lebewesen. – Das mag als Widerspruch zur Anhänglichkeit im Absatz zuvor erscheinen, ist es aber nicht. Die Verbindung zu einigen wenigen Vertrauten ist dem Molltier sehr wichtig, wird diese Beziehung allerdings zu nah, zu eng, dann reagiert es wie jedes Fluchttier: es sucht das Weite. Auf die Betroffenen wirkt das oft unhöflich, ist aber keineswegs so gemeint! Das Molltier weiß sich nur nicht anders zu helfen, weil es die Zuneigung (die für andere ganz normal sein mag) nicht verstehen, bzw. nicht ertragen kann.
Sollten Sie also auf ein Molltier treffen und von ihm als vertrauenswürdig erachtet und als Bestandteil seines Lebens auserwählt werden, achten sie darauf, dass sie das Thema „Nähe“ vorsichtig angehen – sonst ist das Molltier weg!

Freitag, 21. November 2008

Wenn ich könnte, wie ich wollte, dann...

Dinge, die ich ändern würde, wenn ich könnte:

Spielplätze für Erwachsene:
Warum sollen nur Kinder bis zwölf Jahren schaukeln und sich gegenseitig mit Sand bewerfen dürfen? Weshalb sollen nicht auch Erwachsene an einer Seilbahn ihren Spaß haben? Die sogenannten Erwachsenen haben heute so viel Ernsthaftigkeit in ihrem Leben, dass es sich durchaus lohnen würde, auch mal wieder die kindliche Seite etwas zu fördern. Und zwar draußen! Im Winter wie im Sommer!

Gute-Nachrichten-Quote:
Wenn man sich abends die Tagesschau (das Mutterschiff der Nachrichtensendungen) ansieht, bestehen die Informationen zu neunundneunzig, wenn nicht sogar zu hundert Prozent aus Krieg, Tod, Krankheit, Korruption und ähnlichen negativen Themen. Dabei muss es auch etwas Gutes geben, das den Tag über auf der Welt passiert ist. Es muss auch in Deutschland schöne Ereignisse geben. Jeden Tag. Und darüber sollte bitte auch berichtet werden.

Deko-Verbot:
Mit Sicherheit bin ich nicht der einzige Mensch, der sich erst mal leicht geschockt am nächsten Regal festkrallen muss, weil er rechts und links von Weihnachtsmännern und mittlerweile auch -frauen angegrinst wird, obwohl es gerade Mitte Okotber ist. Gleiches Schema nur in einer anderen Jahreszeit gilt für Ostern. Ich habe ehrlich gesagt keine Lust, Ende Januar schon Schokohasen und Fondantkücken bei jedem meiner Spaziergänge durch die Innenstadt um mich herum zu haben. - Noch nie was von Vorfreude gehört? Vier Wochen vor dem eigentlichen Fest, das muss doch reichen!

Wiederholungs-Beschränkung:
Wenn ich am Tag mein Radio alle zwei Stunden einschaltete, hörte ich unter Garantie jedes Mal das gleiche Lied. WARUM? Es gibt so viele gute und (weil das im Radio anscheinend so sein muss) gefällige Titel, die nicht gespielt werden. Aber dafür fünfzehn, wenn es hoch kommt zwanzig Titel, die locker mal ein halbes Jahr reichen. Meine Bitte wäre, dass man ein und das selbe Lied in einer Woche nicht häufiger als drei Mal spielt.

Entschleunigung des Alltags:
Mir geht es grundsätzlich gegen den Strich, dass heute alles immer sofort und unglaublich schnell funktionieren oder ablaufen muss. Es ist kein Wunder, dass die Zahl derer, die an ihrem alltäglichen Stress scheitern und wirklich krank werden, ständig steigt. Alles geht per Express, über Nacht-Lieferungen, jeder muss eine e-Mail-Adresse besitzen, immer und überall auf das Internet zugreifen können, um so schnell wie möglich die gewünschten Informationen zu bekommen. An der Kasse kann es vielen nicht schnell genug gehen und vom Straßenverkehr möchte ich gar nicht erst anfangen. Selbst im Bildungswesen ist man dem Schnelligkeitswahn verfallen: nach acht Jahren soll man sein Abitur bestehen, um dann an der Universität einen Bachelor-Studiengang zu belegen, der dann nach drei Jahren abgeschlossen wird, damit man so schnell wie möglich als Arbeitnehmer zur Verfügung steht. - Denjenigen, die diesen Weg gehen müssen, tut man damit sicher keinen Gefallen und den Lehrenden ebensowenig. Also: macht doch bitte mal langsamer!

Fernsehfreie Zeit:
Es gab tatsächlich Generationen vor uns, die jahrzehntelang überlebt haben, ohne nachts um zwei von fünfzigjährigen blonden Frauen den Befehl entgegen zu nehmen, sie doch gefälligst anzurufen. Und zwar sofort! Sie haben gut gelebt, auch ohne idiotische Ratespielchen, die von einem fünfundzwanzigjährigen Zellhaufen in wenig Stoff moderiert wurden. Mal ehrlich: wer braucht das wirklich? Es reichte, wenn man um null Uhr noch mal Nachrichten (s.o.) sehen kann und dann das Testbild eingeblendet wird, das im Grunde in sich intelligenter ist, als die eben beschriebenen Moderatorenversuche. Um sechs Uhr morgens kann es dann gerne weitergehen.

Weitere Ideen werden folgen, ich muss mich nur eben mal beruhigen.

Donnerstag, 13. November 2008

Goethe, Du Sack!

Woran erkennt man, dass man in einer wissenschaftlich fundierten Vorlesung an einer Universität sitzt?
Ein etwa 45-jähriger Mann in grauem Anzug, mit dazu passendem Hemd und einer orange-schwarz gestreiften Krawatte steht vor einem und gibt wiederholt die Lautfolge „mmmmm – nnnnnn – llllllllll“ von sich, ohne dabei den Eindruck zu machen, das ganze auch nur im Ansatz peinlich zu finden.
Das ist Wissenschaft!

Ein weiteres Beispiel:
Ein Dozent liest einen Text vor, der in seiner Entstehungszeit für Aufsehen sorgte, weil er für diese Epoche extrem anzüglich war. Der Dozent weist allerdings mehrmals darauf hin, dass dies nun bei weitem nicht mehr der Fall sei und man sich nun keine großen Hoffnungen machen solle, er fange nun an.
Er liest und versucht immer wieder die Stellen zu betonen, die seiner Meinung nach ja gar nicht mehr so erotisch sind, wie sie damals eingestuft worden waren.
Dummerweise macht er dabei den Eindruck, als ginge es ihm persönlich mit dem Text ganz anders. Als finde er die zitierte Passage durchaus auf eine nicht jugendfreie Weise ansprechend.
Das Auditorium merkt das ohne dass er es bemerkt und hat seinen Spaß daran, zu beobachten, wie dieser Mann in seinem Gesicht einen Farbwechsel von seinem Grundton Zement-Grau über Mandarin-Orange zu Ampel-Rot durchläuft.
Auch das ist Wissenschaft!

(Dass in dieser Vorlesung später noch der Satz fällt „Ach Gott, ich möcht mir selbst was Blasen!“ (natürlich leidenschaftlich betont), sei nur am Rande bemerkt und nicht weiter kommentiert.)

„Seit ich fühle, habe ich Goethe gehasst. Seit ich denke, weiß ich warum.“
Warum hat mir nie jemand gesagt, dass Börne genau das in Worte gefasst hat, was mich im Deutsch-LK immer dazu gebracht hat, dass ich mich schwer beherrschen musste, um nicht das kleine Reclam-Heftchen „Faust I.“ in seine kleinsten Moleküle zu zerlegen und daraufhin in einem nicht aufzuhaltenden Redefluss die literarische Traumwelt meines Lehrers in Trümmer zu hauen?

Soviel für heute aus der Uni(per)versität.

So long.

Sonntag, 9. November 2008

Text ohne Überschrift

Blinde Schreie
ohne Ziel
taumeln keuchend
durch steinernes Meer
die Höhlen fest versiegelt
Gläser schneiden scharf
die stummen Blicke
Taube Schritte
wie auf Schienen
gleiten über Kopfsteinpflaster
festgeschnallt
an Uhrwerkticken
Stundenzeigermenschenjagd
Zahnraddolche
treiben an
brüllen brav die Richtung vor
Blinde Schreie
ohne Ziel
lehnen blutend
an Beton
küssen weinend Kopfsteinpflaster
beißen hungrig in Asphalt
Taube Schritte
wie auf Schienen
gleiten weiter fernbestimmt
weichen blinden
Schreien aus
bauen Brücken über Tote.

Dienstag, 21. Oktober 2008

Dönerbibel

Die Uni hat begonnen und im Endeffekt ist alles wie in den Semestern zuvor:
Das Chaos ist auf den Thron zurückgekehrt und beherrscht mein Leben auf's Neue.

Aber es gibt auch schöne Dinge zu berichten.
Zum Beispiel über das Buch, das mich seit knapp zwei Wochen begleitet und in dem ich ab und zu mal (wenn es die Zeit zulässt)lese:
Meine Dönerbibel.

Richtig gelesen.
Ich besitze eine Dönerbibel.
Im Grunde ist es eine ganz normale Bibel, Einheitsübersetzung, gebunden.
Nachdem jeder Geschichtsdozent irgendwann einmal während des Semesters darauf hingewiesen hat, dass für Historiker die Bibel zur Pflichtlektüre gehört, habe ich mich dazu durchgerungen, mir eine eigene Ausgabe der "Heiligen Schrift" zuzulegen.
Zuletzt habe ich in der Grundschule eine in Händen gehalten. Danach wurde uns immer nur das Neue Testament vorgelegt.
Dabei soll doch gerade das Alte Testament so spannend sein. Da soll es ja so richtig rund gehen.Da fließt noch Blut, Menschen werden brutal ermordet und Frauen geschändet. - Passt doch wie die Faust auf's Auge in unsere heutige Gesellschaft.
Allerdings bin ich noch nicht so weit.
Ich habe gerade Abraham hinter mir gelassen und bin nun bei Isaak und Jakob.

Warum meine Bibel trotzdem etwas Besonderes ist, lässt sich ganz einfach erklären.
Auf dem Weg nach Hause machte ich noch einen Zwischenstop beim Dönermeister meines Vertrauens. Ein Döner-Spezial mit Allem.
Den packte ich dann, weil es gerade an diesem Tag so schweinekalt war, in meine Tasche, in der sich natürlich auch die Bibel befand.
Zuhause angekommen packte ich erst den Döner aus und legte eine Pause ein (zuvor hatte ich sechs Stunden in der Bibliothek verbracht, das ist zermürbend!).

Danach wollte ich natürlich sofort anfangen, dieses grundlegende Werk der Religion zu lesen, die ich - abgesehen von Taufe, Kommunion und Firmung - nur passiv ausübe.
Soll heißen:
In meinen Papieren steht zwar, dass ich römisch katholisch bin, aber ich gehe weder in die Kirche, noch bete ich. Ich bin davon überzeugt, dass der Glaube nur als psychologische Hilfe "erfunden" wurde. Und auch nicht für alle Menschen, sondern nur für die, die ihn in der Quelle verstehen. Denn die Bibel ist laut Aussage einiger Lehrer voller Codes.
Ich sage nur "und er erkannte seine Frau". - Ich möchte nicht wissen, wie viele Menschen sich schon bildlich vorgestellt haben, wie Abraham zu Sara geht, ihr tief in die Augen sieht und dann sagt: "Ha, dich kenn ich doch!".
(Ich habe es getan und es war sehr lustig!)
Gerade neulich habe ich einem jungen Mann erklärt, dass damit nicht dieses Erkennen gemeint ist, sondern in manchen Fällen eben die sportliche Betätigung, die man gemeinsam mit seinem Partner im Bett ausübt.
Was ich damit sagen will, ist Folgendes:
Meiner Meinung nach, ist die Bibel viel zu kompliziert geschrieben, als dass sie jeder verstehen könnte.
Das allerdings ist in meinen Augen eine Grundvoraussetzung für etwas, das angeblich allen Menschen zustehen soll.
Wenn ich immer einen brauche, der mir erklärt, was mit diesem oder jenem Gleichnis gemeint ist, dann hilft mir das im Zweifelsfall nicht weiter.

In der Bibel werden eben grundsätzliche Verhaltensweisen aufgezeigt. Beispiele, wie man miteinander besser auskommt. Das Grundgesetz in Sachen Miteinander. Vielleicht.

Und mit psychologischer Hilfe meine ich, dass es jedem einleuchten dürfte, dass es sich gut anfühlt, wenn man in Notzeiten oder Momenten, in denen man nicht weiter weiß daran glauben kann, dass man nicht alleine ist.
Auch die Vorstellung, dass jemand nach seinem irdischen Leben nun bei Gott ist, ist eindeutig schöner, als der Fakt, dass ein Mensch gestorben ist, nicht mehr existiert und seine Überreste in einer Holzkiste unter der Erde vor sich hin verrotten.
Dann schon lieber Opa, der täglich sein Manna genießt.

Was ich vielleicht klarstellen muss:
Auf keinen Fall möchte ich hier jemanden, der einen starken Glauben an Gott hat verletzen!
Ich beneide manchmal sogar diejenigen, die fähig sind zu glauben. Denn ich kann es offensichtlich nicht, weil ich in diesem Punkt zu rational denke.

Zurück zur Dönerbibel.
Dadurch, dass die Bibel noch eine Weile in der Tasche war, konnte sie den Dönerduft prima annehmen und jetzt besitze ich eben eine Dönerbibel.
Klar, langsam verfliegt der Hauch von Zwiebel, Knoblauch und gegrilltem Fleisch...
Aber der Gedanke daran, dass es in den Zelten der Menschen "damals" eventuell ebenso gerochen haben könnte, war schon lustig.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Fragen

Was mir auch aufgefallen ist:
Wenn man keine Uni hat, dann stellt man sich komische Fragen.

Wer würde mir noch zum Geburtstag gratulieren, wenn es keine Erinnerungsservices (z.B. im Handy oder Studivz) mehr gäbe?

Denken Leute an mich, ohne besonderen Grund, sondern einfach nur, weil sie mich mögen? Wenn ja, wer?

Was wäre, wenn ich jetzt tot wäre?
Wer käme zur Beerdigung, wer würde eine Anzeige schalten?
Wer wäre wirklich traurig darüber?
Würden sich Leute aus der Schulzeit an mich erinnern? Lehrer, Mitschüler?
(Diese Fragen sind nicht aus depressiven Momenten entstanden, sondern aus reinem Interesse!)

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Long time ago…

Liebes Publikum,
da bin ich nun wieder!
Schon klar, meine so zahlreichen Leser haben meine Einträge sicherlich schon schmerzlich vermisst. – Ironie ist was Schönes… - Aber heute ist es wieder so weit: ein neuer Eintrag.
Was ist in der Zwischenzeit passiert?
Vieles!
Ich habe zum Beispiel drei Wochen lang Kinder fremder Menschen bespaßt, bin mit ihnen in den Wald gegangen und wir haben dort aus herumliegenden Ästen, Zweigen und Moos kleine Hütten gebaut. Wir haben zwei Filme gekuckt, eine Zirkusvorstellung für die Eltern gemacht und sehr oft Uno gespielt…
Dass so ein Job die Uni Geld kostet, ist ja in Ordnung, aber dass dabei auch ein Gutteil meiner Nerven draufgeht, war eigentlich nicht eingeplant. Zumindest kann ich mir jetzt vorstellen, warum vielen Lehrern das Wort ‚Wandertag’ oder ‚Klassenfahrt’ den Schrecken in sämtliche Glieder fahren lässt. Denn von den Orten, die bei solchen Unternehmungen besucht werden, bekommt man im Grunde nichts mit. Man ist die meiste Zeit damit beschäftigt die Kinder zu zählen, Streit zu schlichten, Ideen zur Beschäftigung zu liefern oder kleine Verletzungen (z.B. Wildschweinbisse) zu verarzten. Außerdem können Kinder sehr indiskret sein und Fragen stellen, die man nicht mal seinem Psychiater beantworten würde.
Aber gut. Diese drei Wochen sind vorbei und irgendwie hat es ja auch Spaß gemacht und es tat gut, von einigen Kindern für die nächsten Ferien gleich zwangsverpflichtet zu werden.

Dann kam der Urlaub.
Wo es hinging, kann man oben rechts gut erkennen. London!
Meine Lieblingsstadt.
Wir waren acht Tage da, aber bereits nach der Hälfte fühlten sich meine Füße an, als hätten wir drei Mal hintereinander die Zugspitze bestiegen. Den Großteil unserer Tagesausflüge legten wir nämlich zu Fuß zurück. Bewaffnet mit einer Umhängetasche und einem Stadtplan. Es war der schönste Urlaub meines Lebens.
Mit dem wichtigsten Menschen meines Lebens.

Nach dem Urlaub wurde es wieder ernst.
Praktikum stand an. Eine Woche in einer Förderschule, die ich mir selbst ausgesucht hatte.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich seit dem einen wahnsinnigen Respekt vor Sonderschulpädagogen habe.
Wenn ich mir vorstelle, dass ich die meiste Zeit des Tages mit geistig- und teilweise zusätzlich körperlich behinderten Kindern verbringen würde…
Klar: Es gibt wunderschöne Momente, die Kinder waren zuckersüß und wir hatten viel Spaß, aber mir persönlich würden viel zu viele Gedanken durch den Kopf gehen, die sich um die Zukunft der Kinder drehen. Ich würde mir schlichtweg zu viele Sorgen machen. Und das ist in einem solchen Beruf eben nicht gut.
Aber mein Fazit war: Ich würde jederzeit wieder dort Praktikum machen!

Und was ist mit Uni? Hast du dafür nichts gemacht? Hast du die ganze Zeit nur gefaulenzt? Das geht doch nicht? Du hast doch so viel Zeit, die kannst du doch nutzen und lernen!
Tja.
Nebenbei habe ich auch noch zwei Hausarbeiten geschrieben, die Dritte wird diese Woche fertig.
Über die Niederlage, dass ich ein Seminar in Linguistik nicht bestanden habe, musste ich auch erst mal wegkommen und ehrlich gesagt habe ich immer noch daran zu knabbern. Mist.
Sowas schwört natürlich sämtliche Selbstzweifel wieder hervor. Ist das wirklich der richtige Job für mich? Ich bin doch viel zu dumm dafür. Das kann ich alles nicht, ich hab es von Anfang an gewusst. Ich bin hier völlig falsch. Alle anderen können das viel besser als ich. Ich bin ein vollkommener Versager, zu nichts zu gebrauchen und total überflüssig.
Mit solchen Gedanken muss man dann so ganz nebenbei auch noch fertig werden.

Und dann hat man auch noch Geburtstag. Bei mir ist das der schlimmste Tag im ganzen Jahr, weil ich es nicht ertragen kann, so viele nette Dinge auf ein Mal gesagt zu bekommen. Am Besten einfach nicht ansprechen.
(Gut, es gibt Ausnahmen. Den Freund zum Beispiel. Er wusste, wie er es anstellen muss ;-)

Am Montag geht es also weiter mit dem Unileben.
Es kann nur besser werden.
Aber ich erwarte es nicht.
Leider.