Mittwoch, 31. Oktober 2007

Als ich fort ging

Wenn einem selbst die Worte fehlen, ist es vielleicht ganz gut, die Klappe zu halten und anderer Leute Worte zu nutzen. Wenigstens übergangsweise.
Manchmal hör ich ein Lied, bei dem ich mir dann denke: Das könnte man prima am Ende einer Verfilmung deines Lebens spielen, wenn eine kleine Einblendung kommt, dass du irgendwann Schluss gemacht hast.
Als ich gestern mittag in der Küche stand, lief genau so ein Lied im Radio und ich sah den Abspann zu meiner Bio vor meinem inneren Auge ablaufen.
Es hat ziemlich gut gepasst.
http://www.youtube.com/watch?v=bv5SQH7V2Ao
Allerdings bin ich jetzt schon fast wieder der Ansicht, dass ich das perfekte Lied zum Schluss doch selbst schreiben sollte.
Vielleicht geht es mir dann so wie allen großen Künstlern, dass ich erst nach meinem Tod wirklich Erfolg habe.
Aber vielleicht soll ich den gar nicht haben.
Vielleicht bin ich das, wofür die Mutter des Claudius ihren Sohn immer gehalten hat: Etwas, das die Natur begonnen, aber nicht zu Ende geführt hat. Etwas völlig unvollkommenes.
Klar, niemand ist vollkommen, niemand ist perfekt, aber einige sind nahe dran, zumindest ein ganzes Stück näher, als ich.
Ja, das klingt jetzt wieder tieftraurig und wahnsinnig betrübt, aber manchmal braucht man ein Ventil, um seine abgründigen Gedanken loszuwerden.
Die Abgründigsten behält man sowieso für sich.

Gerade vorhin saß ich in einem Proseminar, in dem ich immer wieder den Eindruck hatte, dass es ziemlich sinnlos ist, worüber da diskutiert wird. Bringt es die Menschheit wirklich weiter, wenn sie weiß, was der Mantel in Aristophanes "Wolken" für eine Bedeutung hat? Muss ich wissen, warum Strepsiades am Ende Sokrates´Haus niederbrennt?
Und warum zieht im Augenblick alles an mir vorbei?
Weshalb kommt es mir so vor, als wäre die Welt hinter Glas und ich bin das kleine Kind vor dem Spielzeugladen, dass sich die Nase an der Scheibe plattdrückt?
Im Film "Stadt der Engel" gibt es die Vorstellung, dass diejenigen, die bald sterben werden, von einem in Schwarz gekleideten Engel abgeholt werden, den nur sie sehen können.
Im Augenblick beobachte ich mich immer wieder dabei, wie ich nach einem solchen Engel Ausschau halte, wie ich ihn mit meinen Blicken suche und doch nicht finde, obwohl ich ab und zu den Eindruck habe, dass er direkt hinter mir steht.
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass sich viele Menschen eine von ihnen nicht beeinflussbare Bedingung setzen, die sie, wenn sie erfüllt wird, dazu berechtigen, zu gehen...
Da ist es schon gut, dass man die Zeit nicht zurückdrehen kann.

Dienstag, 30. Oktober 2007

Sprachlos

Schon komisch.
Jemand, den man eigentlich überhaupt nicht kannte, stirbt und man weiß nicht, was man sagen soll.
Als ich gestern nichtsahnend meine Mails nachsehen wollte, sah ich den Eintrag auf der Homepage von web.de.
Evelyn Hamann ist tot.
Ich saß still da, unbeweglich, wie vom Donner gerührt. Das kann nicht sein. Mir fielen die zahlreichen Filme ein, die ich mit ihr als Darstellerin gesehen habe. Einzelne Szenen tauchten auf, ich hatte die Stimme wieder im Ohr.
Eine ganze Weile saß ich einfach nur da und starrte ihr Bild auf dem Monitor an.
Es macht mich ziemlich betroffen und gleichzeitig lässt es mich verwundert zurück, dass mich ihr Tod so berührt.
Schweigen ist alles, was bleibt. Völlige Sprachlosigkeit.

Montag, 29. Oktober 2007

...

Die großen weißen Vögel

Weit draußen auf dem blauen Meer
erklingt ein Lied von Wiederkehr,
ein Lied vom Leben.
Matrosen singen es zur Stund,
da sie den Freund dem Meeresgrund
tot übergeben.
Im Tuch aus Leinen ruht er schön
und hört leis weiße Flügel gehn
in blauen Fernen.
Ein Lächeln schmückt ihn, wo er liegt.
Das ist die Seele, denn sie fliegt
nicht zu den Sternen.
Und seinen Leichnam ruft ein Lied,
das lockend über Klippen zieht,
wie Wind und Welle.
Schäumt auch die Meeresfläche wild,
Gedanken formen doch ein Bild
aus seiner Seele.
Der schöne Seemann, wie ein Stein,
sank in die tiefe Flut hinein,
in eine Wiege.
Zur selben Stund hoch in der Luft
ein großer weißer Vogel ruft:
den Tod besiege!
Seht ihr die weißen Möwen dort,
sie fliegen weit vom Ufer fort
im Meerestosen.
Sie formen Schreie und erzählen:
unsre Flügel sind die Seelen
der Matrosen.
Der Meeresfluten kühles Grab
zieht dich, Matrose, tief hinab,
dich zu vereinen
mit allen, die an dich gedacht
und die in ferner stiller Nacht
leis um dich weinen, weinen, weinen.

Ich bin wieder hier...

...sprach die Winterdepression und machte sich in meinem Kopf und meinem Herzen breit.
Na ganz toll.
Da glaubt man, dass man es geschafft hat, dass man ab jetzt glücklich und einigermaßen frei leben kann und dann kommt wieder so ein verfluchtes Loch.
Man hat das Gefühl einfach nur zu fallen, ohne jemals irgendwo anzukommen oder aufzuschlagen. Es geht die ganze Zeit nur abwärts, immer tiefer, immer dunkler, immer lauter wird die Stille und man kann sich nirgens festhalten, jedes Mal, wenn man nach etwas greift, rutscht man wieder mit den Händen ab und der Sturz geht weiter, scheint nie enden zu wollen.
Alles um einen herum kommt einem so fremd vor. Man selbst ist sich fremd. Man passt nicht in die Welt.
Aber es ist nicht die typische Traurigkeit, die man halt ab und zu mal hat. Nicht wie üblich, dass kein Lied traurig genug sein kann und man sich am besten noch einen Film mit Taschentuchgarantie reinzieht.
Es ist tiefer.
Viel tiefer. Man wird still. Schweigsam und sehr nachdenklich. Und man sehnt sich nach Einsamkeit, weil man weiß, dass man da nichts falsch machen, niemandem weh tun kann.
Weit weg von all dem, was einen überrollt, was einen überrascht und vor völlig neue Situationen stellt.
Einfach raus hier.
Schluss mit dem Theater.
Sämtliche Kraft ist aufgebraucht und man fühlt sich wie ausgelutscht, leergesogen.
Warum hört es nicht einfach auf?