Der Abschied von meinem AD-unterstützten Leben hat begonnen. Und damit der erste Teil meines neuen Lebens ohne die tägliche Dosis gute Laune.
Nicht mehr lange und mein vierter Tag ohne ist geschafft.
Die Angst vor diesem Schritt war und ist allerdings nicht ohne, denn was ist, wenn ich wieder in die gleiche Depression stürze? Was ist, wenn ich es ohne die Medikamente nicht aushalte? Ist das dann ein Zeichen von Schwäche? Ein Zeichen dafür, dass ich nur mit Medikamenten ein stimmungsmäßig normales Leben haben kann? – Aber genau das möchte ich nicht. Ich will nicht von einem kleinen Stück Pharmazie abhängig sein, will nicht immer daran denken müssen, jeden Tag mein Leben – so wie ich es gerne erleben würde – in Form einer Tablette einzunehmen.
Wie gesagt, heute ist Tag vier. Und die Absetzerscheinungen sind da. Sie sind nicht zu ignorieren. Mein Antrieb grenzt von unten an Null, mein Kopf dröhnt und sobald ich meine Augen schnell und nicht vollkommen bewusst bewege, breiten sich stromschlagartige Empfindungen in meinem Kopf, den Armen und dem Brustkorb aus und sorgen für eine schräge Art von Schwindelgefühl. Diese Kombination führt dazu, dass ich ständig eine gewisse Angst empfinde, mich zu bewegen.
Und dazu kommt die Angst, wieder zusammenzubrechen, abzustürzen, Panikattacken zu bekommen und letztlich wieder in der Klinik zu landen, vom wirklichen Leben, von der Normalität abgekapselt zu werden und jeden Tag zu merken, dass ich nicht normal bin, dass mit mir etwas nicht stimmt.
Warum kann das nicht einfach aufhören, warum muss ich das haben, warum muss das überhaupt jemand haben? Was hab ich falsch gemacht, damit es mir so gehen muss?
Es ist jeden Tag ein Kampf mit der Angst, mit mir selbst. Es ist die Angst, etwas falsch zu machen, andere zu enttäuschen. Vor allem das Gefühl, vollkommen unnütz zu sein und anderen nur auf den Wecker zu fallen, auf der Tasche zu liegen. – Nein, es ist nicht einfach nur die Angst, dass es so sein könnte, sondern es ist das ständige Bewusstsein, dass es genau so ist!
Und die ständige Traurigkeit, die immer in allem mitschwingt. Immer wieder fange ich an zu weinen, ohne den tatsächlichen Grund dafür zu kennen. Ich bin traurig, heule vor mich hin und verkrieche mich in meine Gedankenwelt, in der ich aber keinen Trost finde, sondern nur die mir seit langer Zeit bekannten und vertrauten Gedanken, die ich oben schon beschrieben habe.
Mir fehlt einfach jemand, der mir sagt, dass das alles irgendwann aufhört, dass das vorbeigeht und ich auch ein ganz normales Leben führen kann, in dem ich zufrieden und ohne ständige Angst den Dingen nachgehen kann, die für mich in Ordnung sind und die mich zu einem ganz normalen Menschen machen. Ich will keine Angst mehr haben, die mich so sehr einengt, dass ich nichts mehr tun kann.
Ich will einfach, dass es aufhört!
Ich will mit meinem Freund eine Familie gründen, einen Beruf haben, den ich gerne mache, will für meine Kinder da sein, für meinen Freund und meine Eltern und Geschwister. Ich will einfach nur ein ganz normaler Mensch sein.
Die ewige Heulerei, das Angsthaben vor undefinierbaren Gefahren, die kranken Ideen, was mir helfen könnte, sollen verschwinden.
Wann hört der ganze Dreck endlich auf?
In diversen Foren stand, dass diese Absetzungserscheinungen bis zu vier Wochen andauern können. – Und ich hab erst vier Tage hinter mir, die im Grunde so mies waren, wie die Zeit vor der Behandlung.
Wie soll ich da studieren? Wie soll ich Arbeiten schreiben und lernen, Bücher und Aufsätze lesen usw.?
Ist dieses Studium überhaupt das, was ich will? Will ich Lehrerin werden? – Aber was soll ich sonst machen? Was ist ein Beruf, der Sinn macht? Der für mich Sinn macht?
Wenn ich die Tablette wieder nehme, habe ich versagt.
Wenn ich sie nicht nehme, geht es mir auf (bis jetzt) unbestimmte Zeit beschissen und ich bin zu noch weniger zu gebrauchen, als sowieso schon.
Sich endgültig zu verabschieden bringt auch nichts, weil ich einerseits nicht weiß, wie ich das möglichst so machen soll, dass ich nichts davon mitbekomme und weil ich andererseits eine so schöne Vorstellung davon habe, wie es sein kann, ein ganz normales Leben zu führen. Es ist also definitiv keine Lösung.
Kann man mir nicht einfach sagen, dass es vorbeigeht? Dass all der Mist vorbeigeht und ich mich mit der Zeit besser fühlen werde? Dass ich wieder so sein werde, wie damals, als ich noch zur Schule gegangen bin, Theater gespielt habe und im Grunde eigentlich sorgenfrei war, zumindest für ein paar Jahre?
Ich will wieder lustig sein, andere zum Lachen bringen, selber lachen und an mich selbst glauben können. Ein Selbstvertrauen, das mich trägt und ein Selbstbewusstsein, das mir sagt, dass ich gut bin, dass ich ok bin, so wie ich bin und dass ich schön bin (wenn auch auf meine Art) und dass ich liebenswert bin – das fehlt mir so. Und das macht mich so unglaublich fertig. Dass ich nicht an mich glauben kann. Dass ich mich und mein Hirn immer wieder austrickse und mir um zwölf Ecken doch wieder nur einrede, dass ich unnütz, unfähig, dumm, nervig, hässlich und fett bin.
Ich will einfach nur so unbeschwert sein, wie ich es vor zehn oder noch mehr Jahren war.
Es soll einfach nur wieder so sein, wie damals.
Mehr will ich doch gar nicht.
Bitte.
Montag, 16. Mai 2011
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