Woran erkennt man, dass man in einer wissenschaftlich fundierten Vorlesung an einer Universität sitzt?
Ein etwa 45-jähriger Mann in grauem Anzug, mit dazu passendem Hemd und einer orange-schwarz gestreiften Krawatte steht vor einem und gibt wiederholt die Lautfolge „mmmmm – nnnnnn – llllllllll“ von sich, ohne dabei den Eindruck zu machen, das ganze auch nur im Ansatz peinlich zu finden.
Das ist Wissenschaft!
Ein weiteres Beispiel:
Ein Dozent liest einen Text vor, der in seiner Entstehungszeit für Aufsehen sorgte, weil er für diese Epoche extrem anzüglich war. Der Dozent weist allerdings mehrmals darauf hin, dass dies nun bei weitem nicht mehr der Fall sei und man sich nun keine großen Hoffnungen machen solle, er fange nun an.
Er liest und versucht immer wieder die Stellen zu betonen, die seiner Meinung nach ja gar nicht mehr so erotisch sind, wie sie damals eingestuft worden waren.
Dummerweise macht er dabei den Eindruck, als ginge es ihm persönlich mit dem Text ganz anders. Als finde er die zitierte Passage durchaus auf eine nicht jugendfreie Weise ansprechend.
Das Auditorium merkt das ohne dass er es bemerkt und hat seinen Spaß daran, zu beobachten, wie dieser Mann in seinem Gesicht einen Farbwechsel von seinem Grundton Zement-Grau über Mandarin-Orange zu Ampel-Rot durchläuft.
Auch das ist Wissenschaft!
(Dass in dieser Vorlesung später noch der Satz fällt „Ach Gott, ich möcht mir selbst was Blasen!“ (natürlich leidenschaftlich betont), sei nur am Rande bemerkt und nicht weiter kommentiert.)
„Seit ich fühle, habe ich Goethe gehasst. Seit ich denke, weiß ich warum.“
Warum hat mir nie jemand gesagt, dass Börne genau das in Worte gefasst hat, was mich im Deutsch-LK immer dazu gebracht hat, dass ich mich schwer beherrschen musste, um nicht das kleine Reclam-Heftchen „Faust I.“ in seine kleinsten Moleküle zu zerlegen und daraufhin in einem nicht aufzuhaltenden Redefluss die literarische Traumwelt meines Lehrers in Trümmer zu hauen?
Soviel für heute aus der Uni(per)versität.
So long.
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