Mittwoch, 28. November 2007

Zum Achtzigsten

Ich habe keine Ahnung, ob es gut ist, wenn ich im jetzigen Zustand was schreibe. Die Gefahr ist groß, dass es sich zu extrem anhört...
Es ist mal wieder so weit.
Das große D ist wieder da und hat mich ziemlich fest im Griff. Und wie so oft, habe ich nicht mal großes Interesse daran, mich dagegen zu wehren. Ich lasse es über mich ergehen und warte ab, wie tief es diesmal wohl werden wird.
Alles rauscht an mir vorbei, als säße ich in einem Zug mit unbekanntem Ziel. Richtig. Keine Ahnung, wohin es mich führt, was mich da an die Hand genommen hat und mit mir losmarschiert ist. Aber es hält mich fest und zieht mich immer weiter. Es muss nicht mal große Kraft aufbringen. Ich lasse es einfach geschehen. Ich habe keine Angst. Nicht mehr. Am Anfang hatte ich die noch, aber jetzt ist sie weg. Die Gleichgültigkeit hat ihren Platz eingenommen und es sich gemütlich gemacht.
Schon komisch, wenn man in einem Seminar sitzt und einen Abschiedsbrief schreibt, während der Rest um einen herum über Emilia Galotti und die Angemessenheit ihres Selbstmordes diskutiert.
Vor allem, wenn man weiß, dass man den Brief nicht brauchen wird. Man schreibt und ist sich darüber im Klaren, dass man sich eigentlich nur selbst an der Nase herum führt. Man schreibt Erklärungen für eine Sache auf, die man sowieso nicht tun wird. Aber irgendwie tut das Schreiben gut. Und die Vorstellung, dass die Adressaten die Erläuterungen eventuell sogar ein bisschen verstehen könnten.
Man geht durch die Stadt und hofft innerlich, dass sich plötzlich alle von einem abwenden. Familie, Freunde, Bekannte. Alle. Damit man nicht mehr in der Pflicht steht, zu bleiben. Eine ziemlich verzwickte Angelegenheit. Einerseits ist man der festen Überzeugung, dass es niemandem etwas ausmachen würde, wäre man nicht mehr am Leben, weil man einfach niemandem etwas bedeuten kann, weil man so ein abstoßender, widerwärtiger, nerviger und zu dem auch noch unterbelichteter Mensch ist.
Und andererseits bleibt man nur, weil man das Gefühl hat, dass es zumindest der Familie sehr wehtun würde, wenn man das, worüber man neunzig Prozent seiner Zeit nachdenkt, täte.
Dann taucht wieder der Gedanke auf, dass man den Leuten, die einen – aus welchen Gründen auch immer – zu mögen scheinen, ja gar nichts zurückgeben kann, weil man völlig unfähig ist, das bisschen, was man an Gefühlen vielleicht noch wahrnimmt, zu reflektieren und zu erwidern. Man ist wieder der Ansicht, dass man wie ein schwarzes Loch alle um sich herum verschlingt. Ergo: Lieber keine Kontakte knüpfen, weil es für das Gegenüber nur wieder im Chaos endete.
Stellte einem einer die Frage: Willst Du morgen wieder aufwachen? – Man würde (zumindest ein wenig) lügen, beantwortete man die Frage mit Ja.
Der Wunsch, dass es endlich aufhört, dass man ein Mal wieder glücklich ist, der ist so groß, dass er mir schon zu groß für mich vorkommt. Einen solchen Wunsch darf jemand wie ich nicht haben.
Im besagten Seminar wurde mir klar: ich hab es überhaupt nicht verdient, an der Uni zu sein. Weil mir (speziell in diesem Kurs) alles sonst wo vorbei geht. Es ist mir so unglaublich egal, worüber geredet wird.
Der gesamte Antrieb, den ich wohl mal hatte, ist weg. Alles ist nur noch mühsam, anstrengend und scheint immer mit unwahrscheinlichem Aufwand verbunden zu sein. Alles ist zu viel.
Wenn man die Zeit anhalten könnte, um sich zu regenerieren. Aber das geht nicht. Die Welt um einen herum dreht sich weiter und wird wegen mir nicht stehen bleiben. Wer bin ich denn…
Und so setze ich jedes Mal erneut meine Maske auf und spiele mein Soloprogramm.
Nein, ich habe nicht aufgehört, Theater zu spielen, als ich die Schule verlassen habe. Ich spiele mein Leben lang. Die perfekte Rolle. Meine Rolle des Lebens.
Also habe ich es doch geschafft: Ich bin Schauspielerin.

http://www.youtube.com/watch?v=LK8H7Qn3ifA

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