Montag, 21. April 2008

Könige der Halbsätze

Was macht man eigentlich, wenn man Philosophie studiert? Worüber redet man in einer Vorlesung? Liest man ständig Bücher und erfindet jeden Tag die Welt neu oder versucht zumindest, sie und ihre Bewohner, deren Denken und Handeln zu erklären?
Die Antworten auf diese Fragen, sollen sich mir in diesem (meinem nun dritten Semester) eröffnen. Ich besuche nämlich im Rahmen meines Geschichtsstudiums auch zwei Seminare in jeweils einer Nachbarwissenschaft. Für den Sommer habe ich mir die Philosophie des Mittelalters, so der Titel der Vorlesung, ausgesucht.
Heute war die erste Sitzung.
Was mich an dem Dozenten so fasziniert hat war nicht das, was er sagte, sondern wie er es sagte. Er hatte etwas seltsam Religiöses in seiner Stimme. Wie ein Prediger einer neuen Heilsbotschaft stand er an seinem Pult. Die eine Hand links auf den Rand des Katheders gestützt, die andere rechts. Dabei drückte er die Arme durch und ging zwei Schritte nach hinten. Er sah aus, als wolle er entweder das Pult mit aller Kraft verschieben oder gleich mit seiner täglichen Fitnessübung beginnen.
Mit einer tiefen, lauten und gleichzeitig warmen Stimme ergeht er sich in nie enden wollenden Halbsätzen, die es jedem Zuhörer unmöglich machen, einen auch nur blassroten Faden im Gehörten zu finden, geschweige denn diesen auch nur in Ansätzen mitzuschreiben.
Das ist es wahrscheinlich, was die Philosophie so weltfremd erscheinen lässt: Die Gedanken des Verfassers bzw. Sprechers sind so konfus, dass es einem Normalsterblichen schon nach kurzer Zeit wie Schuppen aus den Haaren fällt, dass er für diese Art der Argumentation nicht gemacht ist. Selbst ein Mensch, der wie ich, mit einem fotographischen Gedächtnis ausgestattet ist, ist in einem solchen Fall aufgeschmissen. Denn das Schriftbild, das vor dem inneren Auge entsteht, ist von Pünktchen, Bindestrichen und Klammern überflutet und nirgends ist ein Rettungsring in Sicht, an dem man sich zur Not festhalten könnte.
Die Grundgedanken, die dieser Mann uns heute mitteilen wollte, waren im Grunde ja nicht schlecht: Die Welt ist grundsätzlich erst mal ne gute Einrichtung; die Schöpfung an sich ist quasi ganz in Ordnung.
Um das auszudrücken, reichen aber wie gerade bewiesen zwei knappe Sätze. Da muss man nicht 90 Minuten mit drei Schachtelsätzen füllen, von denen zwei Drittel nicht komplett waren.
Nein, Philosphie wäre wirklich nicht mein Fach.
Sich mit dem Gedanken zu beschäftigen, was der Sinn des Lebens (abgesehen von der Fortpflanzung, also dem Arterhaltungstrieb) ist, warum es immer dann regnet, wenn man gerade mal keinen Regenschirm dabei, und falls doch, keine Hand frei hat, um ihn aufzuspannen, und warum manche Menschen mit einer nahezu paradiesischen Dummheit gesegnet sind, das macht mir durchaus Spaß. Dafür kann ich mich begeistern und es fällt mir nicht unbedingt schwer, auf diese Fragen Antworten zu finden, aber das auch noch beruflich zu machen und am Ende so zu sprechen, wie der beschriebene Zeitgenosse - das ist es nicht wert.

Da ich gerade bemerke, dass ich mich langsam den Sätzen Thomas Bernhards nähere, was die Länge und Kompliziertheit angeht, schließe ich für heute und hoffe, dass ich morgen mein Döschen mit den Punkten wieder finde.
Bis denn dann
Stina ;-)

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